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elektrisch beleuchteten Bahnsteige herrschte, bemerkte ich alsbald eine
Menge Gendarmen, deren Blicke forschend über die Ankömmlinge
glitten, sowie einige Unteroffiziere, die augenscheinlich ebenfalls auf
Beute ausgingen. Meine Kleidung leitete jeden Verdacht ab, und es
hätte mir freigestanden, den Bahnhof zu verlassen, um dem „Paris
des Südens“ einen Besuch abzustatten, ohne daß man in mir einen
unter dem Kriegsgesetz stehenden Legionär vermutet hätte. Aber dazu
gehört jedenfalls Geld, und das wenige Geld, das mir noch von
meinem Keisegeld geblieben war, reichte nicht einmal mehr zu einem
bescheidenen Nachtlager. So stellte ich mich denn dem ersten besten
Sergeanten. Bei dem Marseiller Militär hoffte ich die freundliche
Höflichkeit wieder zu finden, die ich in Belfort angetroffen hatte; doch
diese Hoffnung verschwand alsbald gänzlich. Mit herrischen Worten
wurde ich aufgefordert zu folgen. Der Sergeant führte mich in ein
Bureau, und hier fand ich zu meinem größten Erstaunen, daß ich
nicht der einzige war, der nach dem Eintritt in die französische Frem—
denlegion verlangte. Um den großen Tisch, an dem der Sergeant
die Reisepässe entgegennahm, drängten sich Gestalten verschiedenster
Ert: Elsässer in breiten Filzhüten und blauen Kitteln, zerlumpte Bel—
gier mit Holzschuhen, Deutsche, und in Gehrock und Seidenhut ein
Wiener, den goldenen Kneifer auf der Nase.
Wir wurden in zwei Gliedern aufgestellt, und von dem Korporal
begleitet, durchzog der sonderbare Zug die Straßen von Marfeille.
Bald umdrängte uns die lärmende Schar der Marseiller Gassenjungen.
Sie ballten die kleinen Fäuste und schimpften, bis uns ein dunkles
Tor ihren Blicken entzog.
Oran. Das Leben in der Garnison.
Von Marseille ging's nach Oran, dem dunkeln Erdteil entgegen.
Langsam setzte sich das Schiff in Bewegung. Majestätisch gütt es
durch das Hafentor in die offene See. Ich schaute unverwandt nach
der Küste Europas, bis auch das letzte Streifchen am Horizont ent—
schwand.
sAls am folgenden Morgen der feurige Sonnenball aus den
schäumenden Fluten tauchte, lag Afrika mit seinen grauen nackten
Selsen vor unsern Augen, und von einem felsigen Abhange her grüßte
uns Oran, die Hauptstadt einer der drei Provinzen, die das Reich
EAlgier bilden. Das sollte meine zweite heimat sein. Mit Tages—
anbruch schiffte man uns aus Wir betraten den Boden, den nur
wenige von uns wieder verlassen sollten. Die Stadt macht auf jeden
Sremden einen bedeutenden Eindruck. Wir wurden auf eine Festung
geschickt, die von einem hohen Berge stolz auf das Meer hinabschaut.