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Und Jubel tönt durch alle Gauen,
Ein Zeder will den Landgraf schauen,
Den Vater Philipp, lang entbehrt.
Zwar ist sein Bart und Haar ergrauet,
Doch's Auge flammt, wenn's um sich schauet
Wie wenn ein Blitz durch Wolken fährt.
Die Glocken schlagen all zusammen,
Zn allen Herzen lodern Flammen,
Als er in Cassel Einzug hält.
Er eilt, wcil's Sonntag, erst zum Donic,
Umfluthct von dem Menschenstrome,
Und danket dort dem Herrn der Welt.
5) Philipp des Großmüthigen Testament.
1562.
Das weite Land der Hessen steht unter Philipps Hut,
Der für den heil'gen Glauben vergoß sein Heldenblut,
Und frei vor Reich und Kaiser zu Luther» sich bekannt,
Darum die Welt zum Ruhme großmüthig ihn genannt.
Der Landgraf hält soeben zu Cassel seinen Hof;-
Die Großen sind versammelt, die Dame mit der Zof'.
Es rüstet auf den Plätzen der Herold das Turnei,
Die Ritter aus den Gauen entbietet er herbei.
Schon schmettern die Trompeten, schon dröhnet Schwerterklang;
Da wird der Landgraf stille, im Herzen wird's ihm bang.
Er denket an sein Scheiden, und träumt von seinem Tod,
Er denkt an Bruderzwiste und an des Landes Noth.
„Laßt schweigen die Trommeten, dann sei der Kampfplatz frei:
Wann ich mein Haus bestellet, belohnt der Söhne Treu'.
Nicht eh'r soll mich ergötzen die Wonne, wo sie weilt,
Bis ich die schönen Länder den Kindern zugetheilt."
Die edeln Söhne stehen im Saale vor seinem Thron,
Herr Ludwig und Herr- Philipp und Georg, sein jüngster Sohn.
Sie sind der Mutter Perlen, der höchste Schmuck der Brust,
Des Hesseulandes Sterne, der Damen Augenlust.
Der Vater spricht zu ihnen : „Geliebteste im Herrn,
Hört meinen letzien Willen, thut ihn genau und gern.
Ludwig ist ein Gelehrter, d'rum soll ihm Marburg sein;
Philipp soll Rheinfels haben, trinkt gern ein Gläschen Wein."
„Mein Marburg hegt Gelehrte gar viel und mannichfalt;
Zu Rheinfels birgt mein Keller den Rheinwein jung und alt.
Dort könnt ihr Wirthschaft treiben, wie's eurem Herz gefällt,
Dort sitzen die Gelehrten, da ist der Wein bestellt.
„Du Georg, der Söhne letzter, du hältst am besten Haus :
Mein Darmstadt sollst Du haben, dort gibt man wenig aus.
Das Land hat Sand und Wälder; doch hausest Du genau;
Wirst Du in Fülle haben für Dich, für Kind und Frau!"
Die Söhne hoch in Freuden ergreifen Vaters Hand,
Und segnen Vaters Willen, der so getheilt das Land.
Sie küssen Vaters Wangen und danken für das Glück :
„Laßt's gut sein, liebe Zungen, nun kommt zum Spiel zurück!"
H. K ü n z e l.
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