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19. Da rief das Weib gleich einer Seherin: „Und doch ist
auch das Opfer Isaals nur die Verheißung gewesen eines größern
Opfers. Denn als die Zeit erfüllet war, hat Gott selber seinen
einigen Sohn dahingegeben zum Sühnopfer für die Schuld aller
Menschen. Und seit diesem letzten wahren Opfer sagen wir von
jedem Jahre: im Jahr des Herrn!“ — „Ja,“ sprach der Mann
zerknirscht vor sich hin, „die letzte Stunde dieses Jahres hat es
klargemacht: es war auch dieses Jahr ein Jahr des Herrn!“ Am
Feuer sättigten sich die beiden an dem Fleische des Rehes, dann
fielen sie in friedlichen Schlaf.
20. Die Morgensonne des neuen Jahres weckte die Schläfer.
Sie stiegen hinauf zur Kuppe des Felsens, von dem gestern abend
der Mann vergeblich die Zukunft hatte erschauen wollen. Da tat
sich ein wunderbares Bild vor ihren Augen auf: das weite, reiche
Maintal glühte im Sonnenschimmer, Hütte an Hütte stieg aus
den Gründen, und der Rauch von hundert Feuerstätten hob sich,
zum leichten Gewölk verschwebend, in die reine Winterluft. Die
Gatten küßten sich bei diesem Anblick und küßten ihr Kind und
fielen nieder und beteten. Der Mann aber wagte noch nicht wieder
seiner Frau ins Auge zu schauen. Doch diese hob ihn liebreich
auf und sprach: „Laß uns des alten Jahres jetzt vergessen, obgleich
es kein Jahr des Teufels gewesen; denn sieh, noch ist das neue
Jahr nur wenige Stunden alt, und doch hat es schon so reiche
Verheißung gebracht, daß wir frohgemut zum Wanderstabe greifen.
Denn die neue Pilgerfahrt beginnt, wo gestern die alte schloß:
im Jahr des Herrn.“
17. Belsazer.
Holnrloh Helns.
Merke, herausg. von Ad. Strodtmann. XV. Hamburg. 1862 8. 6
. Die Mitternacht zog näher schon;
in stummer Ruh' lag Babpylon.
2. Nur oben in des Königs Schloß,
da flacker's, da lärmt des Königs Troß.
z. Dort oben in dem Königssaal
Belsazer hielt sein Königsmahl.
. Die Knechte saßen in schimmernden Reih'n
und leerten die Becher mit funkelndem Wein.