Full text: [Teil 6, [Schülerbd.]] (Teil 6, [Schülerbd.])

319 
III 
5. Schwarzäugige Mädchen beginnen den Tanz; 
da sprühen die Fackeln in rötlichem Glanz; 
heiss lockt die Guitarre; die Zimbel erklingt, 
wie wilder und wilder der Reigen sich schlingt. 
6. Dann ruhn sie, ermüdet vom nächtlichen Reih’n; 
es rauschen die Buchen in Schlummer sie ein, 
und die aus der sonnigen Heimat verbannt, 
sie schauen im Traume das südliche Land. 
7. Doch wie nun im Osten der Morgen erwacht, 
verlöschen die schönen Gebilde der Nacht; 
laut scharret das Maultier bei Tagesbeginn; 
fortziehn die Gestalten. — Wer sagt dir, wohin? 
Emanuel Geibel. 
21. Der 
1. Lieblich war die Maiennacht; 
Silberwölklein flogen, 
ob der holden Frühlingspracht 
freudig hingezogen. 
2. Schlummernd lagen Wies und Hain, 
jeder Pfad verlassen; 
niemand als der Mondenschein 
wachte auf der Straßen. 
3. Leise nur das Lüftchen sprach, 
und es zog gelinder 
durch das stille Schlafgemach 
all der Frühlingskinder. 
4. Heimlich nur das Bächlein schlich; 
denn der Blüten Träume 
dufteten gar wonniglich 
durch die stillen Räume. 
5. Rauher war mein Postillon, 
ließ die Geißel knallen, 
über Berg und Thal davon 
frisch sein Horn erschallen. 
6. Und von flinken Rossen vier 
scholl der Hufe Schlagen, 
die durchs blühende Revier 
trabten mit Behagen. 
7. Wald und Flur int schnellen Zug 
kaum gegrüßt — gemieden, 
Postillon. 
und vorbei wie Traumesflug 
schwand der Dörfer Frieden. 
8. Mitten in deut Maienglück 
lag ein Kirchhof innen, 
der den raschen Wanderblick 
hielt zu ernstem Sinnen. 
9. Hingelehnt an Bergesrand 
war die bleiche Mauer, 
und das Kreuzbild Gottes staub 
hoch in stummer Trauer. 
10. Schwager ritt auf seiner Bahn 
stiller jetzt und trüber, 
und die Rosse hielt er an, 
sah zum Kreuz hinüber: 
11. „Halten muß hier Roß und Rad; 
mag's euch nicht gefährden! 
Drüben liegt mein Kamerad 
in der kühlen Erden. 
12. Ein gar herzlieber Gesell! 
Herr, 's ist ewig schade! 
Keiner blies das Horn so hell 
wie mein Kamerade. 
13. Hier ich inimer halten mich, 
dem dort unterm Rasen 
zum getreuen Brudergruß 
sein Leiblied zu blasen." 
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