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Da rief er: „Gut, eh die Sonne geht,
kannst du drei äcker mir schneiden,
drei äcker Gerste, dein Sohn besteht,
den Tod soll er nicht leiden.“
So trieb er Spott, hart gelaunt,
und ist seines Wegs geritten.
Am Abend aber, der Strenge staunt,
drei äcker waren geschnitten.
Was stolz im halm stand über Tag,
sank hin, er mußt es schon glauben.
Und dort, was war's, was am Feldrand lag?
Sein Schimmel stieg mit Schnauben.
Drei ñcker Gerste, ums Abendrot,
lagen in breiten Schwaden,
daneben die Mutter, und die war tot.
So kam der Knecht zu Gnaden.
Gustav Falke.
45. Wenn du noch eine Mutter hast.
1. wWenn du noch eine Mutter hast, so danke Gott und sei zufrieden,
nicht allen auf dem Erdenrund ist dieses hohe Glück beschieden.
Wenn du noch eine Mutter hast, so sollst du sie mit Liebe pflegen,
daß sie dereinst ihr müdes Hhaupt in FSrieden kann zur Ruhe legen.
2. Sie hat vom ersten Tage an für dich gelebt mit bangen Sorgen,
sie brachte abends dich zur Kuh' und weckte küssend dich am Morgen;
und warst du krank, sie pflegte dein, den sie mit tiefem Schmerz geboren;
und gaben alle dich schon auf, die Mutter gab dich nicht verloren.
3. Sie lehrte dich den frommen Spruch, sie lehrte dich zuerst das Reden;
sie faltete die Hände dein und lehrte dich zum Vater beten.
Sie lenkte deinen Kindessinn, sie wachte über deine Jugend,
der Mutter danke es allein, wenn du noch gehst den Pfad der Tugend.
4. Und hast du keine Mutter mehr, und kannst du sie nicht mehr beglücken,
so kannst du doch ihr frühes Grab mit frischen Blumenkränzen schmücken;
ein Muttergrab, ein heilig Grab, für dich die ewig heil'ge Stelle!
O, wende dich an diesen Ort, wenn dich umtost des Lebens Welle!
Wilhelm Kaulisch.“