310 
zuerst die Nedarier und nahmen Walsieben in der Altmark mit 
Sturm: von allen seinen damals zahlreichen Bewohnern sah keiner 
den kommenden Tag. Dies war der Weckruf zur allgemeinen Er¬ 
hebung; wie ein Mann standen alle wendischen Stämme auf, um 
das verhaßte Joch der Sachsen abzuschütteln. 
Heinrich rüstete schnell und befahl dem Bernhard, dem er die 
Bewachung der Nedarier übertragen hatte, wie dem Grafen Thiet- 
mar, sogleich den Krieg mit der Belagerung der Feste Lenzen, die 
in den Händen der Wenden war, zu beginnen. Es wurde der 
Heerbann, so gut es in der Eile gieng, im Sachsenlande gesam¬ 
melt und mit den königlichen Dienstleuten, die in den Marken stan¬ 
den, unter ihren Befehl gestellt. Schon fünf Tage lag man vor 
Lenzen, da meldeten Kundschafter, ein Heer der Wenden sei in der 
Nähe und wolle bei einbrechender Nacht das Lager der Sachsen 
überfallen. Bernhard ließ sofort das Heer bei seinem Zelte ver¬ 
sammeln und gebot, man solle wohl auf der Hut sein und die 
ganze Nacht unter Waffen stehn. Die Menge trennte sich und 
überließ sich der Freude oder der Angst, der Hoffnung oder Furcht, 
je nachdem einer den Kampf wünschte oder nicht. Die Nacht brach 
herein, finsterer als gewöhnlich, der Himmel war mit schweren Wolken 
bezogen, und der Regen stoß in Strömen herab. Bei solchem Wetter 
sank den Wenden der Muth, und sie unterließen den Angriff; die 
Sachsen aber standen die ganze Nacht unter Waffen. Als der 
Morgen dämmerte, da beschloß nun Bernhard selbst einen Angriff 
zu wagen und ließ das Zeichen zum Aufbruch geben. Zuvor^aber 
nahmen alle im Heer das heilige Abendmahl — so war es Sitte 
vor der Schlacht —, und mit feierlichem Eidschwur gelobten sie 
erst ihren Führern, dann sich untereinander Beistand und Hülfe 
in der Noth. Als die Sonne hervorbrach — in heller Bläue 
strahlte der Himmel nach dem nächtlichen Regenguß —, zogen sie 
aus dem Lager, die wehenden Fahnen voran. Den ersten Angriff 
machte Bernhard selbst, doch der Übermacht der Gegner mußte er 
weichen. Dennoch hatte er so viel gesehen, die Wenden hatten 
nicht mehr Reiter als er, wohl aber unermeßliche Scharen von 
Fußvolk, die jedoch nur mit Mühe auf dem schlammigen Boden 
sich vorwärts bewegten und mit Gewalt von Reitern im Rücken 
vorgejagt wurden. Da faßten er und die Sachsen wieder Muth. 
Mehr aber wuchs derselbe, als sie sahen, wie aus den nassen Klei¬ 
dern der Wenden ein dichter Dunst zum Himmel empor stieg, wäh¬ 
rend sie selbst vom klaren Lichte rings umflossen waren. Es war 
ihnen, als ob der Christengott mit ihnen sei im Kampfe gl'gen die 
Heiden. Abermals wurde das Zeichen zum Angriff gegeben, und 
mit freudigem Feldgeschrei stürzten sie sich in die Reihen der Feinde. 
Dicht gedrängt standen die Wenden, vergebens versuchte man sich 
eine Gaffe durch die Scharen zu brechen; aber rechts und links 
wurden einzelne Züge der Wenden, die von der Masse ihrer Ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.