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„Wolter, hören Sic doch, was der Mann will!" sagte der Prinz.
Wolter gieng und kam dann mit dem Bescheide zurück, der arme Mann
habe lange und schwer am Nervcuficbcr darnieder gelegen; er sei dadurch
sehr zurückgekommen und bedürfe, um sich Leder anzukaufen, damit er sein
Geschäft wieder beginnen und sich und den Seinen das tägliche Brot
wieder verdienen könne, zwanzig Thaler. Er nähme, fuhr Wolter fort,
seine Zuflucht in seiner Noth zu dem milden Herzen des Kronprinzen und
bitte um die zwanzig Thaler.
„Wie viel habe ich noch in meiner Kasse?" fragte der junge Prinz
mit dem sichtbaren Ausdrucke des Mitleids in seinen Zügen.
„Noch fünfzig Thaler", sagte Wolter.
„O, daun kann ich ja noch helfen!" rief freudig der Prinz. „Geben
Sie ihm die zwanzig Thaler in meinem Namen, und sagen Sie ihm, ich
wünsche ihm viel Glück dazu!"
Erfreut und tief gerührt empficng der Handwerksmaun die Gabe, der
cs nicht ahnen konnte, wie kaum erst der Prinz die knabenhafte Nasch¬
haftigkeit überwunden und hier das Vierfache so freudig dahin gab, um
in Liebe zu helfen. Er sprach den innigen Wunsch aus, dem Kronprinzen
persönlich danken zu dürfen. Wolter meldete dies. — „Nicht doch",
erwiderte der Prinz, „das würde ja den armen Mann nur beschämen!"
Eylert.
357. Die Bauernhäuser im Osnabrückschen.
Ter Herd ist fast in der Mitte des Hauses und so angelegt, daß die
Frau, welche bei demselben sitzt, zu gleicher Zeit alles übersehen kann.
Ein so großer und bequemer Gesichtspunkt ist in keiner andern Art von
Gebäuden. Ohne von ihrem Stuhle aufzustehen, übersieht sie zu gleicher
Zeit drei Thüren, dankt denen, die hereinkommen, heißt solche bei sich
niedersetzen, behält ihre Kinder und ihr Gesinde, ihre Pferde und Kühe im
Auge, hütet Keller und Kammer, spinnet immer fort und kocht dabei.
Ihre Schlafstelle ist hinter diesem Feuer, und sie behält aus derselben
eben diese große Aussicht, sieht ihr Gesinde zur Arbeit aufstehen und sich
niederlegen, das Feuer verlöschen und anbrennen und alle Thüren auf-
und zugehen, hört ihr Vieh fressen, die Weberin schlagen und beobachtet
wiederum Keller, Boden und Kämmer. Jede zufällige Arbeit bleibt eben¬
falls in der Kette der übrigen. So wie das Vieh gefüttert und die
Dresche gewandt ist, kann sie hinter ihrem Spinnrade ausruhen, anstatt
daß in andern Orten, wo die Leute in Stuben sitzen, so oft die Haus¬
thür aufgeht, jemand aus der Stube dem Fremden entgegengehen, ihn
wieder aus dem Hause führen und seine Arbeit so lange versäumen muß.
Der Platz bei dem Herde ist der schönste unter allen, und wer den Herd
der Feuersgefahr halber von der Aussicht auf die Diele absondert, beraubt
sich unendlicher Vortheile. Er hört die Stimme seines Viehes nicht mehr.
Er kann sodann nicht sehen, was der Knecht schneidet und die Magd
füttert. Die Einfurt wird ein Schleichweg des Gesindes, seine ganze
Aussicht vom Stuhle hinterm Rade am Feuer geht verloren; und wer
vollends seine Pferde in einem besonderen Stalle, seine Kühe in einem
andern und seine Schweine im dritten hat, und in einem eigenen Gebäude
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