Verfall der epischen Dichtung. 109
Die Gottes Minne ist hochgemuth, Und das allerliebste Herzensblut.
Dabei demüthig und gut, Wer das nicht thut,
Wer nicht so thut, Dem bleibt sie fremd, die klare.
Wie er soll gegen die Minne, Die Gottes Minne fremde sind,
Dem wird sie nimmer rechte kund, Die sind mit lichten Augen blind,
Noch minniglicher Wunden wund Dieselben Kind,
Zu keiner Stund Die heißen Kind der Erde;
Wird er in seinem Sinne, Die aber Gottes Minne hant,
Sie ist also seliglich gemuth, Die Kind sind Gottes Kind genannt
Daß sie will offenbare Ueber alle Land.
Sein in dem Herzen das höchste Gut Mit minniglichem Werthe.
LI. Sinken und Verfall der epischen Dichtung.
(5. 36. ff. Lehrb. . 87)
1. Konrad Fleck.
Flos und Blankflos.
C. 87. Lehrb. F. 437)
Flor zieht aus die verlorne Blankflor zu suchen.
Mach Rückert.)
Für Blankflor aufzusuchen neue Blüten
Ging unterdeß auf Waldeswegen Flor,
Den Sturm nicht ahnend, der begann zu wüten.
Da sagten ihm es Blumen leise vor:
Du gehst hier schlechte Blumen zu gewinnen,
Daheim verlierst du eine Schön're, Thor.
Aufsprang er, und zum ersten mal nicht innen
Ward er, daß Blumen er zertrat im Lauf;
Heim kam er, aber Blankflor war von hinnen.
Geboten hatte man sie zum Verkauf
Kaufleuten, die von da nach Rom sie brachten,
Und andre brachten weiter sie darauf
Nach Babylon. Wie viel des Gold's aus Schachten
Für sie gegeben ward und andres Gut,
Ward mir erzählt, doch konnt' ich drauf nicht achten.
Flor aber that, wie Blumenliebe thut:
Er seufzte Duft, und weinte statt der Thränen
Aus seinen Augenknospen Rosenblut.
Ein Grabmal fand er stehin auf grünem Plan,
Das man erbaut hatt' ihm zum Hintergange,
Und eine goldne Aufschrift stand daran;
Blankflora xuht in dieses Grab's Umfange,
Die, als sie spielend unter Blumen saß,
Gestochen ward von einer gift'gen Schlange.
Als Flor hinzutrat und die Ausschrift las,
Sprach ihm ins Ohr mit lispelndem Geräusche
Ein Windeshauch: Nicht Blankflor's Grab ist das,