Full text: Allgemeine Weltgeschichte

Staatliche und kulturelle Zustände. 
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für die Zugehörigkeit zu diesem neuen Berufsadel ist nicht mehr die Ab- 
stammung, fondern die ritterliche Lebensweife, der Waffendienst. 
Durch das Zusammenleben an den Höfen der Fürsten und das Zusammen- 
treffen mit anderen Rittern bildeten sich bestimmte Gebräuche und Sitten 
der „Gesellschaft"; von besonderer Bedeutung war die Einwirkung der 
französischen Ritter (aus den Kreuzzügen), die auf Anstand und feine 
„höfische" Zucht großen Wert legten. Neben die Verpflichtung unwandel- 
barer Treue gegenüber dem Lehnsherrn und dem allerhöchsten LehnS- 
Herrn Jesus Christus tritt die Aufgabe, die Frauen zu ehren und zu 
schützen, sowie sich namentlich der Schwachen, der Witwen, Waisen und 
Unschuldigen, anzunehmen (Gottes-Herren-Franendienst). Diese Standcs- 
pflichten schufen allmählich wieder einen Geburtsadel, fo daß nur der 
als ritterbürtig galt, dessen Vater und Großvater mindestens ritterlicher 
Abkunft war. 
Die Erziehung des Knaben hatte die Aufgabe, den Ritter auf feinen Ritterliche 
späteren Stand vorzubereiten; charakteristisch find ernste Frömmigkeit, Übung @Xälct,ims' 
in den Waffen und Verehrung der Frauen. Mit sieben Jahren kam der 
ritterliche Knabe als Page an den Hof des Lehnsherrn oder eines befreun- 
deten Ritters („Knabe", garzün), mit 14 Jahren durfte der „Knappe" 
(junchere) den Herrn auf die Jagd, zum Turnier oder in den Kampf 
begleiten, mit 21 Jahren wurde er unter feierlichen Zeremonien in der 
Kirche zum Ritter geschlagen (Schwertleite). 
Die Erziehung der Mädchen hatte als Ziel die fromme, gebil- 
dete Hausfrau. Grundlage der Erziehung war die Religion; aber der 
Burggeistliche unterrichtete sie auch in allem Wissenswerten, namentlich 
in Lateinisch und Französisch, während die Mutter sie in die Pflichten 
der Hausfrau in Haus, Küche und Garten und in die Beschäftigung der 
Mägde mit Handarbeiten (Spinnen. Weben. Nähen) einführte. Oft kamen 
die jungen Mädchen auch wie die Knaben an den Hof eines befreundeten 
Ritters, um dort höfische Zucht zu lernen. Die körperliche Ausbildung, 
reiten, jagen (Falkenbeize) wurde nicht vergessen. 
Das Turnier begann meist mit dem Speerkampf zweier einzel-Turnier, 
»er Ritter (tjost); bei dem eigentlichen Turnier kämpften zwei Haufen 
gegeneinander. Der Sieger behielt in der Regel Rüstung und Pferd des 
Besiegten und empfing aus der Hand einer vornehmen Frau einen Ehren- 
preis. Für diese glänzenden, aber nicht ungefährlichen Festspiele waren 
zuerst in Frankreich genaue Regeln aufgestellt worden, die streng ein- 
gehalten wurden. 
Die Ritter wohnten in Höhen- oder Wasserburgen. Viel-Ritterburg, 
fach bestanden die Burgen nur aus einem festen Turm, der von einer 
hohen Mauer umgeben war. Auch bei größeren Anlagen blieb dieser 
Turm (Bergfried) der wichtigste Teil der Burg; neben ihm erhob sich 
das Herrenhaus (Palas) mit der Kapelle und das Frauenhaus (Keine-
	        
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