306 III. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
reicheren, aber an Sonne ärmeren Schattenseite. Vertreten aber be¬
wachsene, der Wärme selbst bedürftige Höhen die Kalkwände der Sonnen¬
seite, dann saugen auch ihre weiten Pflanzenreichen Höhen nicht nur die
Feuchtigkeit der Atmosphäre, sondern auch die Sonnenstrahlen ein und
entziehen der anderen Seite ein Element ihrer Feuchtigkeit (Pinzgau).
Sowohl mit dem Aufsteigen zu Höhen, als auch mit dem Hinab¬
steigen iu südlichere geringere Breitengrade wird der Temperaturwechsel
zwischen Sommer und Winter geringer, und dadurch unterscheidet sich
das Gebirgsklima, wenn mau auch sonst die beeisten Zinnen mit der
Polarregion vergleicht, von dieser. Es kann dies Jeder ans seinen zu¬
nächst liegenden auch minder hohen Gebirgen oder auch nur Höhen wahr¬
nehmen. Die Thäler sind zwar bei Tage im Scheine der Sonne wär¬
mer, aber die Nächte auch kälter. Je weiter man sich dem Norden
nähert, desto heißer werden oft die Tage des hohen Sommers, und
besonders bekannt ist die oft unerträgliche Hitze selbst des Polarkreises, eine
Folge der langen Tage und nur kurzen Nächte; im Winter das Ge¬
gentheil. Daher hier aus dem großen Gegensatze von Tag und Nacht
auch der von Wärme und Kälte. Je mehr wir uns aber dem Aequa-
tor nähern, desto mehr sehen wir, daß er nicht nur ein Gleicher der
Erdkugel ist, sondern fast Alles ausgleicht; Tag und Nacht bleiben sich
das ganze Jahr über gleich, und daher auch eine vollkommene Stetig¬
keit oder vielmehr Regelmäßigkeit des Klima's. Die zwölfstündige Nacht
kühlt die durch die senkrechten Sonnenstrahlen erhitzte Luft wieder ab
und schlägt zugleich die in der Hitze des Tages mit Dunst übersättigte
Luft als Thau nieder, der einen starken Regen ersetzt.
Wir finden demnach nicht gerade, wenn wir uns dem Süden im
Sommer nähern, ein heißeres Klima, wie Viele glauben; nur der Win¬
ter wird den aus dem Norden kommenden Reisenden deutlicher bewei¬
sen, daß er sich dem Süden, einem milderen Klima nähert.
Zur Reife der Südfrüchte gehört kein wärmerer Sommer, als un¬
ser nordischer, aber ein wärmerer Winter.
Am nördlichen Fuße der Alpen finden wir den wechselnden Norden,
am südlichen Fuße den milderen Süden mit wenigeren Gegensätzen,
und auf den Höhen einen inilden Winter.
Der Brenner in Tirol ist der den meisten Fremden bekannteste
Berg, und wer ihn einmal überschritt, weiß kaum, woher er diese Be¬
rühmtheit (Höhenberühmtheit) erlangt hat; dennoch erhebt sich sein
Rücken am Posthanse 4572 Fuß über das Meer, also 1000 Fuß
über den Scheitel des Brockens, und welcher Unterschied! hier auf dem
Brennerrücken, welcher freilich einem völlig ebenen Thäte gleicht, reiht
sich Haus an Haus und selbst Getreidefelder suchen die Höhe zu be-.
Mänteln. Kriml im obersten Salzachthale, 32OO Fuß hoch, bauet den
herrlichsten Weizen. Wer das Eisackthal hinabwandert nach Botzen und
hier erstaunt über den kräftigeren Wuchs der Feige, welche wild aus
den Felsenrissen aufsteigt und von der ebenfalls wilden Rebe umspon¬
nen, kaum ihre saftigen Blätter zeigen kann, dort über die Majestät