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wundern und ehren — im letzten Ende doch nicht das Ideal der
Weiblichkeit, letzteres verkörpert sich vielmehr in der „barmherzigen
Schwester", in der Pflege der Kranken und Verwundeten, und zwar
nicht nur ihrer Laudsleute und ihres Volkes, sondern auch derjenigen,
die ihre Wunden als unsere Feinde erhalten haben. Besteht also der
Patriotismus des Mauues in seiner Liebe zum Vaterlande, die sich
als Haß gegen seine Feinde äußert, so beweist das Ideal der Frau
darin fast das Gegenteil, indem sie den Feind mit derselben Anst
Opferung und Hingebung behandelt wie den Freund. Da nun aber
diese selbstlose Liebesthätigkeit wenig in die Öffentlichkeit dringt, auch
ihrem Wesen nach nicht dazu geschaffen ist — denn die Geschichte
nimmt gewöhnlich nur auf schlagfertige Erfolge, auf hervorragende
und umgestaltende Persönlichkeiten uud auf erschütternde Ereignisse
Rücksicht —, so findet sie kaum Erwähnung. Hätte man die zahl¬
losen Beispiele des Mitgefühls und der frommen Nächsten- und Feiudes-
liebe zu sammeln vermocht, das würde die wirksamste aller Predigten
zu Gunsten ber Eintracht unter den Nationen sein.
Wohl preist die Geschichte einige der hochherzigen Frauen, die
meisten aber siud nie der Welt bekannt geworden, aber sie suchten
auch nicht den Ruhm! Die Tausende der Frauen glichen den Tausen¬
den der Krieger, die ungenannt für das Vaterland strebten und litten.
Die deutsche Mutter.
Drei Rosse steh'n vor dem kleinen Haus
Und stampfen den Grund mit den Hufen.
Hell tönt ihr Wiehern, als wollten sie
Heraus die Reiter rufen.
Es drängt die Menge wohl um das Haus,
Die Söhne der Wittwe zu schauen.
Emst blicken die Männer und schütteln das Haupt,
Es weinen die Mädchen und Frauen.
Die Ärmste sah vor nicht langer Zeit
Den liebenden Gatten sterben.
Nuu reißt drei Söhne der armen Frau
Der Krieg ins Schlachtenverderben.
Da tritt sie heraus mit ernstem Blick
Inmitten der stattlichen Jungen,
Ein letzter Kuß, noch ein Händedruck,
Und sie haben auf's Roß sich geschwungen.
Da tritt der Pfarrer zur Mutter heran,
Um Trost ihr zuzusprechen.
Es fürchtet der edle geistliche Herr,
Es möchte das Herz ihr brechen.