Full text: [Teil 3 = Klasse 7 (4. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7 (4. Schuljahr), [Schülerband])

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kein Kostverächter ist, Tage der Demut, der tiefen Erniedrigung 
und schweren Selbstverleugnung. Da lernt er die Stunden 
zählen und sich die Minuten merken, wo es etwas zu reißen 
und zu beißen gibt. Er weiß genau, wann das Tischtuch am 
geöffneten Fenster ausgeschüttelt, oder der Kehricht hinaus¬ 
getragen, oder das Federvieh gefüttert wird, oder auch, wann 
der Hund mit einem Knochen aus der Küche kommt. Sobald 
der Knochen einen Augenblick von dem Hunde verlassen wird, 
fallen vier bis fünf Sperlinge gierig darüber her, und nun 
geht das Zerren und das Durchsuchen der Knochenhöhle vor 
sich. So muß sich der Schwergeprüfte bei Schnee und Kälte 
kümmerlich ernähren, und in den langen Nächten ist ihm oben¬ 
drein noch zu viel Zeit gegeben, das wenige zu verdauen und 
vielleicht von Träumen gequält zu werden, die seine unbu߬ 
fertige Seele in reiche Fruchtfelder und Obstgärten versetzen. 
Adolf und Karl Müller. 
133. Die Meisen. 
Ein stiller Oktobertag lockt uns früh in den Park. Wir 
wollen sehen, ob wir nicht den lieblichen Kindern der Meisen- 
und Spechtmeisenpaare begegnen, welche uns durch ihr schönes 
Familienleben im Sommer erfreut haben. Sie sind längst alle¬ 
samt in freundlichen Verkehr miteinander getreten, dem 
schönen Zuge des gesellschaftlichen Lebens folgend. Eltern 
und Kinder, rechte und Stief-Geschwister wandern miteinander, 
laden sich gegenseitig zur Tafel und fordern sich auf zur Rast 
und mahnen zum Aufbruch. Sie haben ihre Sprache, ihre 
Zeichen, ihre Vereinsordnung. Sie kennen ihre Freunde so 
gut wie ihre Feinde. Eins verläßt sich auf das andere, ohne 
gerade seine Selbständigkeit zu opfern. Diese Naturkinder 
gehen alle ohne Ausnahme ihre ehrlichen Wege, Verleugnung 
der allgemein gültigen Vereinsgrundsätze kommt nicht vor. 
Ob sie sich auch einmal zanken oder um einen Bissen be¬ 
neiden, im nächsten Augenblick haben sie alles vergessen und 
ziehen heiter nebeneinander und stehen sich im Angesicht 
der Gefahr durch wohlverstandene Rufe und Gebärden treulich 
hei. Sie haben keinen Herrscher unter sich, dennoch werden
	        
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