Deutschland unter eigenen Königen.
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seine Pläne. 1076 erschien bei Heinrich ein päpstlicher Legat und
forderte ihn auf, seine Diäte, die sich der Simonie schuldig gemacht,
sowie die durch Simonie zu ihren Stellen gelangten Bischöfe zu
entsetzen, sich selbst aber der Investitur künftig zn enthalten.
Heinrich antwortete darauf durch Berufung einer deutschen Sy¬
node nach Worms, in welcher unter seinem Einfluß die Absetzung des
Papstes dekretiert wurde. Zwei weitere Synoden (zu Piacenza und
zn Pavia) schlossen sich dem an. Allein Gregor, auf die mißliche
Lage Heinrichs in Deutschland bauend, griff jetzt zu einem Mittel,
welches gegen einen deutschen König anzuwenden noch kein Papst ge¬
wagt hatte: er sprach den Bann über Heinrich aus und entband
alle Unterthanen des Reiches von ihrem Treueide gegen denselben.
Ties gab den zahlreichen Feinden Heinrichs in Deutschland den
Mut, zu einer Maßregel zu schreiten, welche ebenfalls neu und un¬
erhört war. Auf einer Fürstenversammlung zu Tribur ward be¬
schlossen: „wofern Heinrich nicht binnen Jahresfrist sich vom Banne
löse, solle er des Thrones verlustig sein und solle zn einer neuen
Wahl geschritten werden".
Um dieses Äußerste abzuwenden und Zeit zn gewinnen, in der
Hoffnung, dann seiner Feinde doch noch Herr zu werden, unternahm
Heinrich im Winter von 1076 zu 10? 7 die Reife nach Italien. Er
mußte heimlich dorthin gelangen, denn seine Feinde ließen ihn ängst¬
lich bewachen und suchten es ihm unmöglich zu machen, sich vom
Banne zu lösen. Bei hartem Frost, durch unwegsame Alpenpäsfe,
mußte Heinrich seinen Weg suchen. Seine edle Gemahlin Bertha
teilte mit ihm alle Beschwerden und Gefahren die)et Reife. Gregor selbst
war überrascht und fast bestürzt, als der deutsche König plötzlich vor
ihm zu Canoffa erschien, wo Gregor sich eben aufhielt, um Lösung
vom Banne bat, der härtesten Buße sich unterzog, ihm auch versprach,
seinen Schiedsspruch in dem Streite mit den Fürsten anzurufen.
Gregor konnte ihm die Aufhebung des Bannes nicht wohl versagen;
aber gleichzeitig sandte er heimlich Botschaft nach Deutschland und
ermunterte die Fürsten, auf ihrem Vorhaben zu beharren. So fand
denn eine zweite Fürstenversammlung im Beisein eines päpstlichen
Legaten zu Forchheim statt. Auf dieser ward — „mit allgemeiner
Zustimmung und unter Beistimmung des päpstlichen Legaten" —-
folgender inhaltsschwere Beschluß gefaßt:
„Die königliche Gewalt über Deutschland kann niemandem durch
Erbrecht zufallen, wie dies früher Sitte gewesen; sondern ein Sohn
des Königs kann die Krone nur durch freiwillige Wahl erlangen.