3. Vom Verrat Italiens bis zur Gegenwart.
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Österreich nicht allzu große Truppenmassen dem italienischen Heere
würde entgegenstellen können. Sie vergaßen aber dabei, daß die Grenz¬
gebiete in den Alpenländern schon von Natur wahre Festungen sind.
Auch hatten die Österreicher den welschen „Bundesbrüdern" nie recht
getraut und schon längst für starke Befestigungswerke an den Gren¬
zen gesorgt. Da diese überall ein wenig hinter der Grenzlinie lagen,
konnten die Italiener allerdings schnell ein paar Kilometer österrei¬
chischen Bodens besetzen, was sie als großen Triumph in die Welt
hinausposaunten. Aber bald stießen sie aus die Hauptstellungen der
Österreicher, die in dem Erzh erzo g Eug eu einen überaus beliebten
und tüchtigen Führer erhielten, und von da an war es mit den Erfol¬
gen zu Ende. Weder am nördlichen Gardasee noch im Etschtale konnten
die Italiener weiter, und die furchtbarsten Opfer, gewiß weit über
100000 Mann, haben sie schon vergeblich an der Hauptkampfstelle,
an der Jsonzosront, gebracht. Hier, wo der Weg über den Jfonzo-
fluß und die schöne alte Stadt Görz zu dem heiß erstrebten Triest
führt, haben die Österreicher das steile Ostufer zu einer hoffentlich un¬
einnehmbaren Felsenfestung umgewandelt und die furchtbaren Angriffe
der Italiener bisher mit eiserner Unerschütterlichkeit abgewiesen.
Nachdem im Mai durch deu Durchbruch am Dnnajetz die Russen im Lsten!
bis an den San zurückgedrängt waren, wurde ihre Stellung in den
Karpathen schwer bedroht. Deshalb ließen die Verbündeten ihnen nun
keine Ruhe mehr, sondern gingen auf der ganzen Ostfront gleichzeitig
gegen die Russen vor. In Galizien wurde der Übergang über den
San erzwungen, in P r z e m y s l am 3., in Lemberg nach harter drei¬
tägiger Schlacht am 22. Juui eingezogen und das galizische Land bis
auf einen kleinen Zipfel von den Russen befreit. Inzwischen hatte
Hindenbnrg ein Heer in Kurland einrücken lassen, das in schnel¬
lem Siegeszuge die schöne „deutsche" Stadt und Seefestung Libau
(8. V.), den Hafen Windau (19. VII.), Mitau (2. VIII.) und das
ganze „Gottesläudcheu" bis au die Düna eroberte und jetzt vor Riga
und Dünaburg liegt. Gleichzeitig erfolgte der allgemeine Vormarsch
gegen das russische Festungsgebiet, dessen Mittelpunkt die polnische
Hauptstadt Warschau bildet. Und nun fielen, um nur die wichtigsten
Festungen zu nennen, Pultusk am Narew (24. VII.), Jwangorod
(4. VIII.), Warschau (5. VIII.), Kowuo (18. VIII.), Brest-Li-
towsk (25. VIII.) und Grodno (4. IX.). Da auch bald darauf die
große Stadt Wilna besetzt wurde, waren nicht nur die bevölkertsten
und reichsten Landschaften des europäischen Rußlands, sondern auch
die gefährlichsten Einfallstore nach Deutschland und Österreich in der