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an diesem Tage in allem Glanze und aller Herrlichkeit, und sein Zug 
soll die Macht der ganzen katholischen Kirche veranschaulichen. Die drei¬ 
fache Krone glänzt auf seinem Haupte; vier einfache Kronen und zwei 
Bischofsmützen werden von Caplänen in rothem Oberkleide ihm nach¬ 
getragen. *) 
Was mich während der Feier des Hochamtes an: meisten bewegte, 
war die Erhebung der Hostie und die Communion. Ein tiefes Schweigen 
herrschte im ganzen weiten Raume der Kirche; dreißigtausend Andächtige 
waren auf ihre Kniee gesunken, als (nach der Lehre und dem Glauben 
der Kirche) der Leib des Herrn in der Gestalt des Brotes sich offen¬ 
barte; der Papst allein stand aufrecht vor dem Altäre und hielt die 
weiße Hostie empor unter dem laut schmetternden Posaunen- und Trom¬ 
petenschalle. 
Nachdem er mit der Hälfte der Hostie sich selber das heilige Abend¬ 
mahl gegeben hatte, theilte er die andere Hälfte in zwei Theile und 
gab die Communion dem Cardinaldiakonus und dem Unterdiakonus, die 
er zuvor umarmte. Wie gewöhnlich trank der heilige Vater nicht aus 
einem Kelche, sondern aus einem goldenen Rohre. 
Ilm die Mittagsstunde ertheilte der Papst von der Höhe des an der 
Vorderseite der St. Peterskirche befindlichen Balcons herab der Christen¬ 
schaar seinen Segen. Wer diesen Anblick nicht aus eigener Anschauung 
gehabt hat, macht sich schwer eine Vorstellung davon. Hunderttausende von 
Christen, aus allen Theilen der Erde herbeigeströmt, bedecken den Platz vor 
dem Vatican; alle Glocken in Rom lassen ihre Töne durch die Lüfte er¬ 
klingen; die Kanonen donnern von der Engelsburg herab; der Papst hält 
eine kurze Rede, und am Ende derselben macht er über das versammelte 
Volk drei Kreuze und erhebt die Hände gen Himmel, um den göttlichen 
Segen herabzuflehen. Hinter dem Segen kam aber auch gleich der Fluch 
und Bannstrahl, geschleudert auf alle Ketzer und Ungläubige, auf Alle, 
die den Papst nicht für den Statthalter Gottes auf Erden halten. 
*) Seitdem der Papst das weltliche Regiment des Kirchenstaats verloren hat und 
der König von Italien in Rom eingezogen ist, hat Pius IX. auf diesen Umzug verzichtet.
	        
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