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Felder von Goldäpfeln, Gurken und Maiskorn breiten sich vor dem Auge
in gleicher Ueppigkeit aus, wie in den fruchtbaren Auen des Adour und
der Ustariz. Es sind nur wenige kahle Spitzen, die in die Wolken hinauf
zu klettern scheinen, welche der menschliche Fleiß nicht zu seinem Nutzen
bearbeitet hat. Doch auch diese bieten dem Auge keineswegs einen ab¬
schreckenden Anblick dar; sie sind mit duftendem Thymian und freundlichem
Haidekraut überkleidet. Dann machen, in malerische Gruppen vertheilt,
Heerden von Schafen und Ziegen die Einöden lebendig, und selbst der
Stier erscheint noch durch Wolkennebel hindurch, der an dem Kamme des
Gebirges sich hinzieht, wie ein Götterbild des Apis der alten Aegypter.
Zuweilen begegnet dir ein junges baskisches Mädchen mit schwarzen
Augen und schlankem Wüchse, fröhlich ihr Liedlein singend. Mit bloßen
Füßen und einer Last auf dem Kopfe, welche die Männer unserer Städte
Mühe hätten fortzutragen, eilt sie wie ein Reh über die jähesten Fußpfade
dahin, und in ihren: flüchtigen Gange arbeitet sie noch an einem zehn-
farbigen Brustlätze, womit sie ihren alten Vater zu schmücken gedenkt.
Zuweilen begegnet dir auch ein Mann, der auf einem Thurme von
Waarenballen sitzt, unter denen die Mauleselin, der man sie aufgepackt,
fast verschwindet. Den Kopf von einen: riesigen, niedergeklappten Hute
bedeckt und in einen braunen Capuzenrnantel gehüllt, raucht er in ge¬
messenen Zügen seinen Cigaro von Havanna. Du wirst überrascht von
der Kraft und dem Adel in seinem Gesicht und von den: tiefsinnigen Blicke
seiner Augen. Seine linke Hand ruht auf einer Stutzbüchse, und du
möchtest ihn für einen Krieger halten, der auf Krieg und Schlachten sinnt;
aber auf der andern Seite hängt seine Guitarre, und du kommst auf die
Vermuthung, er denke an die Composition eines neuen Liedes: und doch
ist der Mann weiter nichts, als ein einfacher Arriero oder Mauleseltreiber.
Er reitet an der Spitze von zwanzig schwerbeladenen Mauleseln, von
denen der letzte durch den eintönigen Klang einer heisern Glocke ihm fort¬
während zu erkennen giebt, daß der ganze Zug regelmäßig sortschreitet.
Frankreich hat beinahe schon diejenige Stufe von Civilisation erreicht, wo
es seinen Handel nicht mehr durch Landstraßen, sondern durch Kanäle
vermittelt. Spanien dagegen hat es noch nicht einmal bis zu dem so
nützlichen Fuhrmannskarren gebracht, denn dazu erwartet es erst noch von
einer schützenden, vorsorglichen Regierung die Errichtung von Brücken und
Straßen.*)
Dicht hinter dein Arriero, aber mit finsterer, mehr drohender Miene,
folgt der Schleichhändler der baskischen Provinzen. Eine Flinte blitzt in
*) Diese würden immer noch nicht die Maulesel in Spanien unnütz machen oder
gar vertreiben, denn die Commnnicationsmittel hängen von der Localität des Landes
ab. In einem Gebirgslande sind keine Kanäle möglich, und auch auf der besten Straße
im Gebirge bleiben die Maulthiere das zweckmäßigste „Fuhrwerk". — Von den Eisen¬
bahnen wußte der Reisende noch nichts; in dieser Hinsicht hat sich das „an der Spitze
der Civilisation stehende Frankreich" sehr in den Hintergrund geschoben.