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Bisweilen sieht man — so erzählen die Eingeborenen — an den Ufern 
der Sümpfe den befruchteten Letten sich langsam und schollenweise er¬ 
heben. Mit heftigem Getöse, wie beim Ausbruch kleiner Schlammvul- 
cane, wird die aufgewühlte Erde hoch in die Luft geschleudert. Wer des 
Augenblicks kundig ist, flieht die Erscheinung; denn eine riesenhafte Wasser¬ 
schlange oder ein gepanzertes Krokodil steigt aus der Gruft hervor, 
durch den ersten Regenguß aus dem Scheintode erweckt. 
Schwellen nun allmälig die Flüsse, welche die Ebene südlich begren¬ 
zen: der Arauca, der Apure und der Pagara, so Zwingt die Natur 
dieselben Thiere. welche in der ersten Jahreshälfte auf dem wasser¬ 
leeren, staubigen Boden vor Durst verschmachteten, als Amphibien zu 
leben. Ein Theil der Steppe erscheint nun wie ein unermeßliches 
Binnenwasser. Die Mutterpferde ziehen sich mit den Füllen auf die 
höheren Bänke zurück, welche inselförmig über den Seespiegel hervor¬ 
ragen. Mit jedem Tage verengt sich der trockene Raum. Aus Mangel 
an Weide schwimmen die zusamvtengedrängten Thiere stundenlang 
umher und nähren sich kärglich von der blühenden Grasrippe, die sich 
über dem braun gefärbten, gährenden Wasser erhebt. Biele Füllen 
ertrinken; viele werden von den Krokodilen erhascht, mit dem zackigen 
Schwänze zerschmettert und verschlungen. Nicht selten bemerkt man 
Pferde und Rinder, welche, dem Rachen dieser blutgierigen riesenhaften 
Eidechsen entschlüpft, die Spur des spitzigen Zahnes am Schenkel 
tragen. 
Auch unter den Fischen haben die südamerikanischen Pferde einen 
gefährlichen Feind. Die Sumpfwasser von Bera und Rastro sind mit 
zahllosen elektrischen Aalen gefüllt, deren schleimiger, gelbgefleckter 
Körper aus jedem Theile die erschütternde Kraft nach Willkür aussendet. 
Diese Gymnoten haben 5-6 Fuß Länge. Sie sind mächtig genug, 
die größten Thiere zu tödten, wenn sie ihre nervenreichen Organe auf 
einmal in günstiger Richtung entladen. Die Steppenstraße von Uritucu 
mußte einst verändert werden, weil sich die Gymnoten in solcher Menge 
in einem Flüßchen angehäuft hatten, daß jährlich vor Betäubung viele 
Pferde in der Furth ertranken. Auch fliehen alle andern Fische die 
Nähe dieser furchtbaren Aale Selbst den Angelnden am hohen Ufer 
schrecken sie, wenn die feuchte Schnur ihm die Erschütterung aus der 
Ferne zuleitet. So bricht hier elektrisches Feuer aus dem Schooße der 
Gewässer aus. 
Ein malerisches Schauspiel gewährt der Fang der Gymnoten. Man 
jagt Maulthiere und Pferde in einen Sumpf, welchen die Indianer eng 
umzingeln, bis der ungewohnte Lärm die muthigen Fische zum Angriff 
reizt. Schlangenartig sieht man sie auf dem Wasser schwimmen und sich, 
verschlagen, unter den Bauch der Pferde drängen. Bon diesen erliegen 
viele der Stärke unsichtbarer Schläge. Mit gesträubter Mähne, schnau¬ 
bend, wilde Angst in: funkelnden Auge, fliehen andere das lobende Unge-
	        
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