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Mit seinen scharfen Augen hat er bald Speise genug entdeckt, und
sein fleißiger Schnabel hat sie bald genug geschmeckt; — dann setzt er
sich auf den Dornenzweig uub singt mitten im Winter ein reizendes
Lied. — Ringsum liegt alles in tiefem Schnee; — Zaunkönig singt den
Blumen ein Schlaflied. Ringsum sitzen Vögel und Hasen, hungern und
frieren, — Zaunkönig singt ihnen ein Trostlied. Das Sonntagskinds
das etwas von der Vogelsprache versteht, vernimmt ganz deutlich, wie er
ruft: „Verzaget nicht! Auf den schlimmen Winter folgt bald schöner
Frühling! Wer den Schnee gibt, beschert auch den Sonnenschein!" —
Es könnte gar mancher Mensch von dem Zaunkönig etwas lernen!
181. GeäenKet cter Vögel im Minier. Von emii Rittershaus.
Kinderlust. Herausgegeben von Frida Schanz. Bielefeld u. Leipzig 1896.
2. Jahrgang. 8. 193.
1. Komm zum Fenster, liebe Kleine!
Bringe Körnlein mit und Brot!
Schau'! Im Hof dort auf dem Steine
liegt ein Vöglein; es ist tot.
2. Eingefroren jedes Börnchen!
Jeder Futterplatz verschneit! —
„Rur ein Krümchen! Nur ein Körnchen!"
flehn die Sänger weit und breit.
3. Gib ein Körnchen, gib ein Krümchen,
streu's vor unsers Hauses Tür,
und der Frühling schenkt ein Blümchen
und ein Vogellied dafür.
4. Und das ruft: „Zum Lenzesseste
komm ins frische Grün geschwind!"
Doch das Schönste, Allerbeste,
schenkt dir selbst dein Herz, mein Kind.
132. Das Rotkehlchen. Von Friedrich Krummacher.
Parabeln. I. Bändchen. Dnisbnrg 1814. S. 144.
Ein Rotkehlchen kam in der Strenge des Winters an das Fenster
eines frommen Landmannes, als ob es gern hinein möchte.
Da öffnete der Landmann sein Fenster und nahm das zutrauliche
Tierchen freundlich in seine Wohnung. Nun pickte es die Bro-