Religionsunfug im Morgenlande. 367
sich seiner Würde nicht lange, denn Marcian stellte die gute
Ordnung bald wieder her.
Einen nicht geringen Aufruhr erweckte in Jerusalem ein
Mönch, Namens Theodosius, der wegen seines unruhi—
den Kopfes schon anderswo einmal von seinem Bischofe aus
dem Kloster gejagt, und in Alexandria sogar ausgepeitscht
war, und nun auf seinen Streifereien sich zufällig in Chal—
cedon aufgehalten hatte, als eben der Kirchenrath gehalten
wurde. Wie ein Rasender läuft er daraͤuf nach Palästina,
wiegelt mit Zetergeschrei die dortigen Mönche und Einsied—
ler auf, und ruft durch alle Städte, in Chalcedon sei die
ganze christliche Religion umgestürzt worden. Darauf führt
er seinen zusammengelaufenen Schwarm nach Jerusalem,
zwingt alle, die Lehre von Chalcedon zu verfluchen, und
wer sich weigert, dem zünden die Wüthenden das Haus an,
und ermorden ihn mit den Seinen. Sie stürmen in die
Kirche hinein, ein Diakon widersetzt sich ihrem Toben, aber
der Unglückliche wird herausgestürzt, gemartert, zerhauen,
die Stuͤcke seines Leichnams werden den Hunden auf der
Straße vorgeworfen, und Theodosius wird zum Patriarchen
ausgerufen. Auch hier mußte Marcian die Ruhe mit Ge—
walt wieder herstellen.
Aber ein dauerhafter Friede konnte nicht erreicht wer—
den, der Geist der Spaltung hatte das ganze Morgenland er—
griffen. Kaiser Zeno, ein schwacher Mensch, der den Hun—⸗
nen und andern Barbaren Tribut bezahlte, wurde bald so
verhaßt, daß seine Schwiegermutter, die alte Kaiserinn, ih—
ren Bruder Basiliscus auf den Thron setzen konnte.
Dieser war wieder ein Freund der Irrlehre, und ließ die
Verhandlungen von Chalcedon an vielen Orten öffentlich ver—
brennen. Nun empörte sich das Volk in der Hauptstadt, der ver—
bannte Zeno kommt mit einem Heere aus Isaurien nach Con—
stantinopel, und wird mit Jauchzen empfangen. Hätien die
Kaiser sich doch nie in die Religionsstreitigkeiten gemischt!
Jetzt sieht Basiliscus seinen Thron schwanken, in der Angst
eilt er zu dem Partriarchen Aracius, legt in der großen
Kirche sein Diadem auf den Altar, und fleht um Schutz.
Das Geräusch der eindringenden Soldaten des Zeno erfüllt
die Kirche, der Eroberer nimmt den Kaiser, seine Gemahlinn