Sechster Zeitraum.
führen, D daß sie jeden Krieg mit Glück beendigten, und
von keinem Volke eher abließen, als bis es unterjocht war,
und 3) daß sie sich niemals durch die Frage irre machen
ließen, ob es auch recht sei, sich in fremde Händel zu mi—
schen, sich fremdes Gut zuzueignen, und Millionen von
Menschen darüber aufzuopfern. Doch diese Gewissensfrage
ist Eroberern noch nie eingefallen, ja die Römer holten sich
zu jedem Blutbade, das anrichteten, erst den Willen der
Götter ein, der denn auch in den Eingeweiden der Opfer—
thiere jedesmal deutlich zu lesen war.
Noch währte der mehr als fünfzigjährige Krieg mit
den Samnitern fort. Ehe wir weiter gehen, muß ich
aus demselben doch noch einen merkwürdigen Vorfall erzählen.
8 2.
Dit caudinischen Pässe.
(321 v. Chr.)
Einmal zogen die Consuln Postumius und Veturius
Calvinus gegen die Samniter aus, mit dem Kern der
römischen Macht, und lagerten sich bei Calatia. Hier fin—
gen sie auf dem Felde einige Hirten auf, welche aber ver—
kappte samnitische Soldaten aus dem Heere des Pontius
waren, und fragten sie, wo die samnitischen Legionen stän—
den. „In Apulien — sagten diese — sie belagern Luce—
ria.“ Das durften die Römer nicht leiden, denn Luceria
war eine befreundete Stadt. Geschwind auf dem kürzesten
Wege nach Luceria, ehe wir zu spät kommen! Der Zug
ging durch ein gras- und wasserreiches Thal bei der Sam—
niterstadt Caudium, das, von einem hohen Waldgebirge
umkränzt, nur einen Eingang, und gegenüber nur eimen
Ausgang hatte. Sorglos zogen die Römer in die Schlucht.
Als sie an den Ausgang kommen, ist derselbe durch Bäume
und Felsenstücke gesperrt, und zugleich erscheint das samni—
tische Heer rings herum auf den Anhöhen. Schnell kehren
die Römer nach dem Eingange zurück, aber dieser ist eben—
falls gesperrt. Wie vom Donner getroffen stehen die stolzen
Römer da, schweigend sieht der eine den andern an, und
man hört nur das laute Spotten der Samniter, die schon