Full text: Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbesondere der preußisch-deutschen Geschichte seit 1648 (Teil 6)

Innere Angelegenheiten des Preußischen Staates. 
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3. Durch die Jnvaliditäts- und Altersversicherung wird den 
Arbeitern beim Eintritt in das siebzigste Lebensjahr oder, sosern sie 
dauernd erwerbsunfähig geworden sind, eine jährliche Rente zugesichert. 
Die hierzu erforderlichen Beträge, deren Höhe nach fünf Lohnklassen 
abgestuft ist, werden vom Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen 
durch Einkleben von Wochenmarken, außerdem durch einen Reichszuschuß 
aufgebracht. Die Auszahlung der Rente erfolgt durch die Post; der 
Höchstbetrag ist 450 Mark. Kein andrer Staat hat so viel für die 
Arbeiter getan. 
Die Reichsversicherungsordnung von 1911 hat die sozialen Ver- 
sichernngen vereinheitlicht und erleichtert. Die Krankenkassenversicheruugs- 
pslicht ist auf mindestens weitere fünf Millionen Arbeiter: Landarbeiter, 
Heimarbeiter und häusliches Dienstpersonal (Dienstboten) aus- 
gedehnt, die Bezüge sind erhöht worden*). 
Nunmehr erhält auch jede invalide Witwe ein Witwengeld und eine 
Waisenrente sHinterbliebenenversichernng; die Rente richtet sich nach der 
Zahl der Beitragswochen). Dazu kommt eine Heilfürsorge, welche sür 
kranke Arbeiter und Arbeiterinnen die Benutzung von Heilstätten, Bädern 
u. dgl. vorsieht. 
Schon das Arbeiterschutzgesetz von 1891 forderte Vorkehrungen zur 
Sicherung des Lebens, der Gesundheit und Sittlichkeit der Arbeiter. Die 
Arbeit an Sonn- und Festtagen ist verboten oder gekürzt, auch 
Frauen- und Kinderarbeit zeitlich beschränkt worden. Die Aufsicht 
über die Durchführung dieser Bestimmungen ist den Fabrik- und Ge- 
Werbeinspektoren übertragen. Die „Fürsorgeerziehung" dient auch 
der Erziehung Minderjähriger. Die Organe der Selbstverwaltung, kirch- 
liche Genossenschaften und privater Wohltätigkeitssinn bemühen sich, der 
sozialen Not zu steuern. 
Innere Angelegenheiten des Preußischen Staates. 
§ 131. Reform der Landesverwaltung. In den ersten Jahrzehnten 
nach Gründung des Reiches wurde die innere Landesverwaltung 
Preußens einer Reform unterworfen. Hatte bisher ihr Schwerpunkt 
fast ausschließlich in den Händen der Staatsbehörden gelegen, ins- 
besondere der Oberpräsidien, Regierungen und Landräte, und hatten die 
Provinzial- und Kreisstände im wesentlichen nur eine beratende, keine 
bestimmende Tätigkeit ausgeübt, so trat jetzt an Stelle der Zentralisation 
die Dezentralisation, an Stelle der Verwaltung durch die Organe des 
Staates die Selbstverwaltung der Gemeinden; es ging ein Teil der 
*) Die Verwaltung der Krankenkassen liegt in den Händen eines Vorstandes, der 
von den Ausschüssen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewählt wird; der Vorsitzende 
muß in beiden Gruppen die Stimmenmehrheit erhalten haben, sonst wird er vom Ver- 
sicherungsamte bestellt.
	        
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