270 II- Die Zeit neuer Staatenbildnngen.
fürchteten in der That, die Natianalversammlung hasse
die Republik, daher sie sich aufmachten, dieselbe vor
monarchischen Umtriebe« zu retten. Schlimmere Geister
aber suchten ihre Träume von einer paradiesischen Gleich¬
heitsherrschaft zu verwirklichen; ihnen gesellten sich zahl¬
reiche Rotten von Missethätern, auch 4000 englische
Diebe, Tausende von irischen Feniern (republikanische
Verschwörer) :c. bei. Die Clubs tagten fortwährend und
aufregende Blätter steigerten die Unruhe.
In der Nacht auf den 18. März mußte Viuoy deu
General Lecomte abordnen, die Geschütze auf dem Mont¬
martre wegzunehmen; uud diesem gelang es, die National¬
garden zu überrumpeln und 171 Kanonen zu fassen. Sie
wegzuführen mangelten die Zugpferde, und mit dem Mor¬
gengrauen wurde der Generalmarsch geschlagen und die
Sturmglocke geläutet, worauf Haufen von Nationalgarden
zusammenströmten. Man drängte sich an die Truppen,
fragte ob sie gefrühstückt hätten, jammerte über die Grau¬
samkeit der Negierung, welche die Brüder im Heere
Hungers sterben lasse, veranstaltete Sammlungen und lud
die Soldaten zum Essen und Trinken ein. Getäuscht und
verrathen wartete Lecomte lange ruhig auf die Zugpferde,
mußte sich aber endlich des scheinbar friedlichen Zudrangs
erwehren und befahl zu schießen oder das Bajonet zu
brauchen. Aber seine Bataillone zauderten, ja ließen ihn
samt den Offizieren gefangen wegführen. Ebenso ergiengs
dem in Bürgerkleidung dazu kommenden Gen. Thomas,
der sich a. 1848 den Rothen verhaßt gemacht hatte. Man
schleppte die beiden in ein temporäres Gefängniß, hielt
in namenlosem Durcheinander eine Art Gericht über sie
und erschoß sie Abends. Das Centralcomit6 vertheidigte
diese Unthat als kriegsrechtlich begründet. Vinoy zog mit
einem Rest von 10,000 treugebliebenen Truppen nach
Versailles ab, und die Hauptstadt war in den Händen
der Aufrührer. Am gleichen Tage, da die rothe Fahne
auf dem Pariser Stadthaus wehte, fuhr Napoleon III.