Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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1273 wurde nach dein Rache des Erzbischofs von Mainz, Werner von 
Eppenstein, der Graf Rudolf von Habsburg als Kaiser erwählt, dessen 
geringe Stammgüter im Elsaß ihrer Herrschsucht, wie sie meinten, nicht 
gefährlich, seine Frömmigkeit, Tapferkeit und Entschlossenheit aber für das 
Wohl des Reiches günstig und ersprießlich sein konnte. 
Rudolf von Habsburg gehörte einem edlen, aber unbegüterten 
Geschlecht in Oberschwaben (Aargan) an; Friedrich II. hatte ihn einst 
aus der Taufe gehoben und zum Ritter geschlagen. Dreimal hatte Rudolf 
den Kaiser nach Italien begleitet und bei ihm und seinem Sohne treu 
ausgehalten trotz Bann und Interdikt. In der Zeit des Interregnums 
wußte er seinen Bortheil auf nicht allzngewissenhafte Weise wohl zu wahren 
und durch glückliche Fehden mit dem Bischof von Basel und Straßburg, durch 
einen vortheilhaften Vertrag über das Erbe der Grafen von Kybnrg, seiner 
Verwandten, eine angesehene Stellung in Schwaben und Elsaß zu gewinnen. 
Als Rudolf zur Regierung gelangte, war er fünf und fünfzig Jahre 
alt; ein hochgewachsener Mann von blasser Gesichtsfarbe, mit einer Habichts¬ 
nase und spärlichem Haupthaar, ein tapferer Kriegsmann, ohne gelehrte 
Bildung, von nüchternem, praktischem Verstände und tüchtiger Willens¬ 
kraft, schlicht in seinem Wesen, einfach und mäßig in seinem Leben, von 
Stolz und Prunkliebe weit entfernt und mit Sinn und Gedanken stets 
auf das Eine gerichtet, was Roth that. 
Unter den Fürsten des deutschen Reiches war Ottokar von 
Böhmen der Einzige, welcher sich der neuen Wahl nicht fügen wollte. 
Der armselige Landgraf, so meinte er, dürfe seinem königlichen Ansehen 
nicht vorgesetzt werden. Rudolf's alter Gegner aber, der Bischof von 
Basel, empfand bei der Nachricht der neuen Königswahl großen Schrecken. 
„Herr Gott," rief er aus, „nun sitze fest, sonst wird der Rudolf sich auf 
deinen Platz setzen." 
Die Aufgabe des neuen Königs war keine leichte. Er sollte ein 
Wiederhersteller, ein Mehrer des Reiches sein. Keiner aber, der sich zu 
dessen Nachtheil unrechtmäßige Eingriffe erlaubt hatte, wollte sich im Ge¬ 
ringsten beeinträchtigen lassen. Rudolf's erste Sorge war, den über- 
müthigen Böhmenkönig zur Anerkennung zu zwingen. Er ward zur Ver¬ 
antwortung auf einen Reichstag nach Augsburg geladen und als er nicht 
erschien, sondern durch einen Gesandten ungebührliche Reden führen ließ, 
wurde die Reichsacht gegen ihn ausgesprochen. Am Johannistag 1276 
erklärte Rudolf den Krieg an Böhmen. Ottokar lachte zu der Nachricht 
und begab sich auf die Jagd. „Wo ist Euer Schatzmeister?" fragte einer 
der Ritter den König Rudolf. „Was Schatzmeister," war die Antwort, 
„ich besitze fünf Schillinge." „Wie gedenkt Ihr Euer Heer zu erhalten?" 
„Dafür wird der liebe Gott unterwegs sorgen." 
Durch Leutseligkeit und Klugheit gewann er auf dem Zuge die Herzen 
mancher feindlich gesinnten Großen, verbündete sich mit dem Herzog Ludwig 
von Baiern, dem er eine seiner Töchter zur Gemahlin gab, wie er denn über-
	        
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