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64. Siegfriedens Tugenden waren gut und groß. 
Den Schild legt' er nieder, wo der Brunnen floß; 
Wie sehr ihn auch dürstete, der Held nicht eher trank, 
Bis der Wirth getrunken; des sagt' er ihm Übeln Dank. 
65. Der Brunnen war lauter, kühl und auch gur; 
Da neigte sich Günther hernieder zu der Fluth. 
Als er getrunken hatte, erhob er sich hindann; 
Also hätt' auch gerne der kühne Siegfried gethan. 
66. Da entgalt er seiner Höflichkeit; den Bogen und das Schwert 
Trug beiseite Hagen von dem Degen werth. 
Dann sprang er schnell zurücke, wo er den Wurfspieß fand, 
Und sah nach einem Zeichen an des Kühnen Gewand. 
67. Als der edle Siegfried aus dem Brunnen trank, 
Er schoß ihm durch das Kreuze, daß aus der Wunde sprang 
Das Blut von dem Herzen hoch an Hagen's Staat. 
Kein Held begeht wieder also große Missethat. 
68. Den Sperschaft im Herzen ließ er ihm stecken tief. 
Wie im Fliehen Hagen da so grimmig lief; 
So lief er noch auf Erden nie vor einem Mann! 
Als sich der starke Siegfried der schweren Wunde besann, 
, 69. Der Held in wildem Toben^ von dem Brunnen sprang; 
Ihm ragte von den Achseln eine -Lperstange lang. 
Nun wähnt' er da zu finden Bogen oder Schwert, 
So hätt' er nach Verdienste Hagen wohl den Lohn gewährt. 
70. Als der Todwunde da sein Schwert nicht fand, 
Da blieb ,hm auch nichts weiter, als der Schildesrand, 
Den rafft er von dem Brunnen und rannte Hagen an; 
Da konnt' ihm nicht entrinnen dieser ungetreue Mann. 
71. Wie wund er war zum Tode, so kräftig doch er schlug, 
Daß von dem Schilde nieder rieselte genug 
Des edeln Gesteines; der Schild zerbrach auch fast! 
So gern gerochen hätte sich der herrliche Gast. 
72. Hagen mußte fallen von seiner Hand zu Thal; 
Der Anger von dem Schlage erscholl im Wiederhall. 
Hätt' er sein Schwert in Händen, so wär' es Hagen's Tod. 
Schwer zürnte der Verwundete, es zwang ihn wahrhafte Noth. 
73. Seine Farbe war erblichen, er konnte nicht mehr stehn. 
Seines Leibes Stärke mußte ganz zergehn, 
Da er des Todes Zeichen in lichter Farbe trug. 
Er ward hernach betrauert von schönen Frauen genug. 
74. Da fiel in die Blumen der Kriemhilde Mann. 
Das Blut von seiner Wunde stromweis niederrann. 
Da begann er Die zu schelten, ihn zwang die große Noth, 
Die da gerathen hatten mit Untreue seinen Tod.
	        
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