22 Johann, der Seifensieder. 
1. Johann, der muntre Seifensieder, 
Erlernte viel? schöne Lieder, 
Und sang mit unbesorgtem Sinn ' 
Vom Morgen bis zum Abend hin. 
Sein Tagwerk konnt' ihm Nahrung bringen; 
Und wann er aß, so mußt' er singen; 
Und wenn er sang, so war's mit Lust, 
Aus vollem Hals und freier Brust. 
Beim Morgenbrot, beim Abendessen 
10. Blieb Ton und Triller unvergessen; 
Der schallte recht, und seine Kraft 
Durchdrang die halbe Nachbarschaft. 
Man horcht, man fragt: Wer singt schon wieder? 
Wer ist's? — Der muntre Seifensieder. 
Im Lesen war er Anfangs schwach; 
Er las nichts als den Almanach; 
Doch lernt' er auch nach Jahren beten, 
Die Ordnung nicht zu übertreten, 
Und schlief, dem Nachbar gleich zu sein, 
20. Oft singend, öfter lesend ein. 
Er schien fast glücklicher zu preisen, 
Als die berufnen sieben Weisen, 
Als manches Haupt gelehrter Welt, 
Das sich schon für den achten hälr. 
Es wohnte diesem in der Nähe 
Ein Sprößling'eigennütz'ger Ehe, 
Der, stolz und steif und bürgerlich, 
Im Schmausen keinem Fürsten wich, 
Ein Garkoch richtender Verwandten, 
30. Der Schwäger, Vettern, Nichten, Tanten, 
Der stets zu halben Nächten fraß, 
Und seiner Wechsel oft vergaß. 
Kaum hatte mit den Morgenstunden 
Sein erster Schlaf sich eingefunden; 
So ließ ihm den Genuß der Ruh' 
Der nahe Sänger nimmer zu. 
„Zum Henker! lärmst du dort schon wieder, 
Vermaledeiter Seifensieder? 
Ach, wäre doch, zu meinem Heil, 
40. Der Schlaf hier wie die Austern feil!" 
Den Sänger, den er früh vernommen, 
Läßt er an einem Morgen kommen
	        
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