fullscreen: Deutsche Jugend ([Teil 5 = 6. - 8. Schulj., [Schülerbd.]])

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Und durch die Kirche, klein und kahl, 
als sprächen die Himmel, ertönt der Choral. 
Und wie die Töne sein Herz bewegen, 
eine Lichtgestalt tritt ihm entgegen, 
eine Lichtgestalt, an den Händen beiden 
erkennt er die Male: »Dein Los war leiden, 
du lerntest dulden und entsagen; 
drum sollst du die Krone des Lebens tragen. 
Du siegtest, nichts soll dich fürder beschweren: 
Lobe den mächtigen König der Ehren . . .« 
Die Hände gefaltet, den Kopf geneigt, 
so lauscht er der Stimme. 
, Die Orgel schweigt. Theodor Fontane. 
ZUM 27. Januar. 
239. Kaiser Wilhelm II. 
Das Zepter, das der Hand des edlen Kaisers Friedrich, 
des königlichen Dulders, im Tode entsank, hat sein Sohn, jetzt 
Kaiser Wilhelm II., ergriffen. Früher als menschliche Voraus¬ 
sicht zu ahnen vermochte, ist dieser dazu berufen worden, im Glanze 
zweier Kronen, als deutscher Kaiser und als König von Preußen, 
des schweren, verantwortungsvollen Herrscherberufes zu walten. 
Kaiser Wilhelm II. erblickte am 27. Januar 1869 im damals 
kronprinzlichen Palais zu Berlin das Licht der Welt und verlebte 
die Jahre seiner Kindheit im „Neuen Palais" bei Potsdam. Tüchtig 
tummelte er sich hier mit andern Kindern herum; er spielte, turnte 
und fuhr Kahn mit ihnen. Auf dem elterlichen Gute Barnstedt 
fand er auch vielfache Gelegenheit zum Verkehr mit der Dorf¬ 
jugend. Da wurden Wettläuse veranstaltet, und wer siegte, erhielt 
von dem Vater, dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, einen Preis. 
So lernte der Knabe schon in früher Jugend das Leben des Volkes 
kennen. 
In seine Knabenzeit sielen die Kriege von 1864, 1866 und 
1870/71. Er erlebte da mit, wie Preußen stark und Deutschland 
einig wurde. Als nach beendigtem Kriege am 13. Juni 1871 der 
feierliche Einzug der Garden in Potsdam stattfand, sah man neben 
dem an der Spitze reitenden Großvater, Kaiser Wilhelm I., und 
neben der Mutter, der Kronprinzessin Viktoria, auch schon 
den jungen Prinzen Wilhelm. 
An einem Sedantage, am 1. September 1874, bei der Feier 
seiner Einsegnung in der Friedenskirche zu Potsdam, legte Prinz 
Wilhelm das Gelöbnis ab: „Ich weiß, welche großen und schweren 
Aufgaben meiner warten, und ich will die Zeit meiner Jugend be¬ 
nutzen, um denselben gewachsen zu sein, ich will meine Aufmerk¬ 
samkeit dem Wähle des Staates, wie dem Ausbau der christlichen 
Kirche zuwenden."
	        
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