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ganz ausdrückliche Verbot meines Vaters da vorhanden sei, welches mir so
viel gelten mußte, als ein Befehl des Königs seinen Unterthanen. Meinem
Geiste trat eine furchtbare Phantasie nahe; ich dachte, der Vater könne da
statt des Königs oder der Königin in der Salonthür sich zeigen, sein Auge
den Ungehorsamen entdecken. Zurückzuweichen war völlig unmöglich, die
Menge hinter mir bildete eine undurchdringbare Mauer. Ich mußte also
stehen bleiben, den Fügungen des Geschicks verfallen, und mich noch vor
den beiden roten Kammerhusaren in acht nehmen, welche die Brücke nach
dem Salon gegen den Andrang zu schützen hatten. Diese machten nicht
viel Umstände mit dem Volke, und es ging hier wie allerorten bei solchen
Gelegenheiten. Nicht die Drängenden erlitten unsanfte Behandlung, sondern
die Gedrängten, die vor uns standen.
Aber bald löste ein reizendes Schauspiel alle Angst ans und jedes
herbe Wesen. Die Königin trat in die Salonthür. Ich erinnere mich
ihres Anzuges noch ganz deutlich: sie trug einen stahlgrünen, seidenen
Uberrock und war sonst ohne Schmnck einfach gekleidet. Das Volk begrüßte
sie jubelnd, Mützen und Hüte schwenkend. Sie verneigte sich mit holdseliger
Freundlichkeit nach allen Seiten, und nun wurde ich Zeuge eines Auftrittes,
der wohl verdient, erzählt zu werden. Ans silberner Platte wurde ihr eine
Tasse dargeboten; sie nahm sie und frühstückte. Ein Herr mit mehreren
Sternen auf der Brust näherte sich ihr ans der Tiefe des Saales und
schien des Augenblickes zu warten, wo er ihr nach beendetem Frühstück die
Tasse abnehmen dürfte. Plötzlich aber sah die Königin empor, dann mit
unglaublicher Freundlichkeit nach dem Volke. Ihr Blick fiel ans ein Kind,
mit welchem die Wärterin sich auch unter den Vordersten befand. Die
Schönheit des Kindes mochte ihr gefallen und das lange, goldgelbe Locken¬
haar des Kleinen. Sie winkte erst mit dem Finger; da aber niemand die
liebenswürdige Natürlichkeit dieser Gebärden begriff, so sagte sie jemand,
der hinter ihr stand, etwas, worauf der Dienstthuende über die Brücke ge¬
gangen kam und der Wärterin befahl, ihm nüt dem Kinde zur Königin zu
folgen. Die arme Person wurde blutrot, gehorchte zitternden Schrittes und
sah sich dabei bisweilen nach der Menge um, als wollte sie sagen: „Ich
maße mir diese Ehre nicht an." Inzwischen wollte der Herr mit den
Sternen der Königin die Taffe abnehmen; sie lehnte es aber ab, neigte sich
dem Kinde, welches unbefangen umher lächelte, entgegen, faßte seine Händchen,
streichelte ihm die Wangen und gab ihm dann aus ihrer Tasse in dem
Theelöffel zu kosten. Sie fragte die Wärterin nach dem Alter des Kindes,
nach seinen Eltern und was dergleichen mehr war. Alles dies geschah in
der Entfernung weniger Schritte von dem Platze, wo ich stand, so daß ich
Gabriel n. Snpprian, Lesebuch. D. 8. 2