Full text: Von Alexander d. Gr. bis Christus (Bd. 3)

90 Sechster Zeitraum. 
Römer haben nie Begeisterung für die Schönheiten der 
Kunstwerke empfunden. Zwar verschwendeten die Reichen 
unermeßliche Summen mit dem Ankauf griechischer Gemaͤlde 
und Bildsäulen, und füllten ihre Landhäuser mit denselben, 
aber mehr aus Prachtliebe, als aus wahrem Kunstgefühle. 
Was in Rom Schönes gearbeitet wurde, geschah von Grie— 
chen, welche haufenweise nach Italien herüberzogen, um 
dem römischen Luxus zu dienen. Die schönen Palaͤste, Villen 
(Landhäuser), Tempel und Bäder, welche jetzt häufig in 
und um Rom erbauet wurden, hatten griechische Baumei— 
ster zu Urhebern; manche schöne Bildsäule ward noch in 
Rom von Griechen gearbeitet, und römische Schiffe gingen 
hin und her, um die berühmten Werke längst verstorbener 
Künstler aus Griechenland eben so nach Rom zu führen, 
wie sie in neuern Zeiten aus Rom nach England und Frank— 
reich hinübergesiedelt sind. Viele jener ausgewanderten Grie— 
chen nährten sich in Rom als Sprachmeister, als Lehrer 
der Redekunst, als Philosophen, Mathematiker und Musiler. 
Die Gewandheit ihres Betragens und ihre Feinheit im 
Umgange verschafften ihnen bald Anhänger unter der römi— 
schen Jugend, die sich nach ihnen zu bilden wünschten. Die 
Römer hörten mit Erstaunen den Disputirübungen der grie— 
chischen Philosophen zu, die über jeden vorgelegten Gegen— 
filand gleich aus dem Stegreife stundenlang scharfsinnig und 
artig zu sprechen wußten. Oft lasen diese ihnen Stellen aus 
trefflichen griechischen Dichtern und andern Schriftstellern 
vor, und erklärten sie, und die Römer merkten dann freilich 
deutlich genug, wie sehr es ihnen noch an Bildung des 
Geistes sehle, und welch eine steife traurige Figur ein stol— 
zer römischer Consul oder Prätor trotz seines Geldes neben 
dem ärmsten griechischen Schöngeiste mache. 
Deunoch waren die Griechen in Rom verächtlich, ein 
Sprichwort sagte sogar, daß sie für Geld stürben. Der fin— 
stere, strenge Cato, der gegen die Karthager so ungerecht 
war, befürchtete auch von diesen griechischen Lehrern viel 
Böses für die jungen Römer, und gab daher als Consul 
das Gesetz, daß alle Mathematiker und Philosophen zur 
Stadt hinaus gejagt werden sollten. Auf ähnliche Art wa— 
ren mehrere andere unter den Alten gegen die Griechen
	        
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