Full text: Klasse 7 (viertes Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

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denken kann, sondern wie ein lebendiges Wesen, zu dessen Gliedern man 
selbst mit gehört, mit dem man empfindet, fühlt und will. Darum eben 
gehört nicht nur das topographische, sondern auch das naturgeschichtliche, 
das geschichtliche und soziologische Element mit zur Heimatkunde. Der 
Lehrer soll aber auch bei seinem Unterrichtsverfahren diese Beziehung des 
Individuums zum Ganzen beachten. Bei manchen Gegenständen er¬ 
gibt es sich von selbst. Daß das heimatliche Ährenfeld uns Brot, das 
Vieh im Stalle des Bauern uns Fleisch, der Brunnen im Hofe, die 
Quelle im Walde uns Wasser zu frischem Trünke geben, bedarf nur des 
Hinweises) aber daß auch die gesamten Lebensverhältnisse des Menschen 
in der Natur der Heimat wurzeln, soll nicht nur erkannt, sondern auch 
gewürdigt werden. Nicht minder ist darauf zu achten, daß sich durch 
das Zusammenleben der Menschen auch ein Gemeinschaftsgefühl heraus¬ 
gebildet hat, welches sich sorgend um jedes Glied der Gesamtheit be¬ 
kümmert. 
Die Vorstellung Heimat umschließt alle Beziehungen des Kindes zu 
Vaterhaus, Eltern, Geschwistern, Freunden und Bekannten. Lockern sie 
sich, dann fallen die zarten Blüten, welche aus jenem innigen Verhält¬ 
nisse entsproßten, Achtung vor dem Bestehenden, Bescheidenheit gegen das 
Alter, Ehrerbietung vor den Eltern, innige Zuneigung zu den Geschwistern, 
herzliches Vertrauen zu den Freunden, auf den Boden kalter Selbst¬ 
sucht und werden im Kampfe mit den wirtschaftlichen Sorgen zertreten 
oder im Schmutze roher Sinnlichkeit vernichtet. Und nicht nur an Per¬ 
sonen, auch an Dinge knüpft sich unser Heimatgefühl. Der Bach, mit 
dessen Steinchen wir spielten, der Dorfanger, auf dem wir in toller 
Jugendlust umhersprangen, der Kirchturm, dessen Höhe unser Staunen 
erregte, ja selbst der dunkle Hof am Hintergebäude bergen in sich den 
Zauber froher Kindheitstage. Der Lehrer muß nur verstehen, die Be¬ 
trachtung an geeigneter Stelle in das Gewand kindlicher Poesie zu kleiden, 
damit alles, was den Schüler in der Heimat umgibt, Leben atmet) 
dann nickt uns das Blümlein auf der Wiese freundlich zu, dann berichtet 
uns der Bach im Tale von seiner Reise, und der Kirchturm mit seinem 
grauen Haupte erzählt aus längst vergangener Zeit. Volksbrauch und 
Volkssitte, Volkssprache und Volkslied tragen zur Belebung bei und 
helfen in sinniger Weise die Fäden knüpfen zwischen Schule und Eltern¬ 
haus. So nützt der Lehrer die kindliche Phantasie zu edlem Dienste. 
Das Kind hört den Unterricht nicht nur, sondern es lebt ihn und wächst 
dabei fest in den Organismus Heimat hinein. Damit aber ist das 
ethische Ziel der Heimatkunde erreicht.
	        
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