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Straßen ist es so, daß sogar in einer weiten Gasse kaum ein Wagen 
dem andern ausweichen kann." Über diese Rede waren die Bürger 
schier beleidigt. „Da am Rindermarkt ist freilich eine böse Stelle 
für Fuhrleute," sprach ein Schuhmacher, der auf einem Brett vor 
seiner Haustüre stand: „aber es ist nicht überall so." — „Nein, 
gerade überall ist es so," fuhr der Fuhrmann fort und fuchtelte 
mit der Peitsche herum: „besonders auf dem Hohenweg, da find 
hohe Dämme vor den Häusern und die Straße so tief und kotig 
und so viel Stapfen über die Gasse, daß man schwer und mit Mühe 
durchkommen kann: auch werfen und gießen die Leute alle un¬ 
sauberen Dinge nachts und bei Tag auf den Weg. Auch in der 
Kreuzgasse ist es unbequem und der Weg grundlos." — „Es hat 
eben heuer im Frühjahr und Sommer viel und lang geregnet," 
sagte jetzt Hans Gewerlich, der zum offenen Fenster herausblickte: 
„aber wenn der Winter kommt, dann gefriert der Schmutz und 
im nächsten Sommer wird er wohl austrocknen." — Da redete der 
fremde Kaufmann dazwischen: „Das nimmt das ganze Jahr kein 
Ende, und wenn der Schmutz aufhört, dann fängt der Staub an. 
In Italien hat man das Straßenpflaster schon lang: ich hab's selbst 
gesehen." Als der Kaufmann von Italien redete, stimmten alle 
bei. Unterdessen war aber der vordere Wagen flott geworden 
und nun griff man mit neuem Mut beim Hinteren an und unter 
Schreien und Schieben gelang es endlich, auch diesen vom Fleck zu 
bringen. 
Noch am nämlichen Abend redete Hans Gewerlich in der 
Trinkstube mit den Kaufleuten lang über Italien und das 
Straßenpflaster, das es dort gibt. Und in den nächsten Tagen 
ließ er vor seinem Hause einen Haufen Steine und einen Haufen 
Sand abladen, und in der nächsten Woche kamen die Pflasterer 
und begannen vor seinem Hause am Eck beim Rindermarkt zu 
hämmern und zu pflastern. Und als das Pflaster fertig war, 
gefiel es jedermann wohl, und man beriet sich, man sollte damit 
auch anderswo anfangen. Könne man Steine und Sand genug 
haben, so solle man überall pflastern. Alan hatte aber großen 
Zweifel, ob Steine genug zu haben wären. So hub man an, zuerst 
beim Göppinger Tor und so die Straße vorwärts bis an des 
Gewerlichs Gasse und an sein Pflaster. Da war es hübsch und 
gar zierlich und gefiel jedermann. Und man hatte Steine und 
Sand genug, je länger, je mehr: denn die Leute gingen an den 
Lech und an die Wertach und lasen Steine und man grub und 
siebte Sand genug. Die Leute verkauften Steine und Sand in 
Truhen und zu solchem Preise, daß es niemand zu teuer dünkte. 
Darum gebot man den Leuten überall an den vordersten und vor¬ 
nehmsten Gassen, sie sollten pflastern, und jedermann tat es willig. 
Und jeder mußte vor seinem Hause eine Rute weit pflastern, und 
wo die Gassen weiter waren, das zahlte die Stadt. So pflasterte 
jedermann für sich, bis es nach einiger Zeit ganz geschehen war. 
Lies Heine: Harzreise. Uns Lcheiblhuber: Deutsche Geschichte. 
„ Georg Lang: Mit Ränzel und Wanderstab. 
„ Lotz: Verkehrseutrvicklung im 19. Jahrhundert.
	        
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