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39. Weihnachten.
1. Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus.
Sinnend geh' ich durch die Gassen:
Lilles sieht so festlich aus.
2. Rn den Zenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt.
Tausend Kinbletn stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
3. Und ich wandre durch die Mauern
Bis hinaus ins freie Feld:
hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
wie so weit und still die Welt!
4. Sterne hoch die Kreise schlingen;
Rus des Schneees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen —
D du gnadenreiche Zeit!
Joseph von Lichendorsf.
^0. Lin Weihnachtsmärchen.
1. Die Kinder und der Schneemann.
Cs war Lhristnacht. Die tust war bitter kalt, und der Mond stand
wie eine große silberne Lampe am Himmel und leuchtete auf die Erde
herunter, die sich in ihren dicken, weichen, weißen winterpelz eingehüllt
hatte.
In dem kleinen Dorfe schliefen alle gesunden Leute fest und tief
und freuten sich noch im Traum, daß der nächste Tag ein Feiertag war.
Ts war so still und feierlich ringsumher, wie es nur in der heiligen
Thristnacht ist, wo der Friedensengel zur Erde kommt und den Menschen
neue Hoffnung und neue Liebe in die herzen legt.
Nur die armen kranken Leute schliefen nicht. Rber sie waren heute
nicht so traurig wie zu andrer Zeit- denn es war der helle Schein der
Thristnacht um sie her, und das machte sie so ruhig und friedlich, daß sie
ihre Schmerzen nicht mehr deutlich fühlten.
In einem der kleinsten Dorfhäuschen schliefen zwei Kinder und
träumten von all den schönen Dingen und guten Sachen, die sie sich
wünschten: von warmen Kleidern und neuen, starken Schuhen, von bunten
Bällen und Tieren und Puppen. Sie konnten nur davon träumen,' denn
sie waren sehr arm, und dazu war die gute Mutter krank und konnte
nicht auf Rrbeit gehen, und der Vater war tot. So hatten sie dieses
Mal einen traurigen Weihnachtsabend gehabt. In der Ecke stand ein