Metadata: (Achtes und neuntes Schuljahr) (Teil 4 für Kl. 2 u. 1)

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Erwarte, wenn ich diesmal von Schiller rede, nichts Brillantes, keine 
hohen, genialischen Züge; nein! ich will Dir den Hausvater, ach! 
den sterbenden schildern. Den genialen Schiller kennst Du aus 
seinen Werken. Der geniale Schiller war groß; aber unendlich größer 
noch und liebenswürdiger war Schiller im Kreise der Seinigen, als 
Vater, Gatte, Freund. Die menschliche Seite war diesem Göttlichen 
die göttlichste. 
Kurz vor seiner letzten Krankheit lag Schiller an einer ähnlichen 
danieder, wie ich Dir schon geschrieben habe. In dieser Zeit bin 
ich ihm, meine Schulstunden ausgenommen, nicht von der Seite 
gewichen. Er war sehr krank, aber demungeachtet heiter und sogar 
fröhlich beim geringsten Anlasse. Wenn er einmal aufstand, um im 
Zimmer auf- und abzugehen, griff ich ihm unter die Arme. Da sah 
er mich traurig an. „Bin ich denn wirklich so matt?" fragte er. 
Ich sagte ihm, ich stütze ihn nicht sowohl, weil er nicht gehen 
könnte, als vielmehr, um es ihm nur zu erleichtern. Als wir einige¬ 
mal auf- und abgegangen waren, stellte er sich vor den Tisch hin, 
putzte das Licht und rief nun fröhlich aus: „Voß, ich bin nicht 
matt; ich habe das Licht mit steifem Arm putzen können." Den 
folgenden Abend wollte ich wieder bei ihm wachen; aber er wollte 
es nicht zugeben und erlaubte mir nur nach dringendem Zureden, 
ihm die zweite Nacht wieder Gesellschaft leisten zu dürfen. AIs ich 
aber den folgenden Tag um vier Uhr von ihm wegging, wollte er 
mir durchaus nicht erlauben, um neun Uhr abends wiederzukommen. 
Ich erinnerte ihn an seine gestrige Erlaubnis, aber vergebens. Ich 
wußte nicht, warum. Endlich erfuhr ich, es sei Maskerade, und 
Schiller wollte mir, dem fleißigen Maskeradengänger, nicht diese 
Freude rauben. Diese Liebe rührt mich zu Tränen. „Mein bester 
Hofrat," sagte ich, „Sie wissen nicht, welch ein Vergnügen es 
für mich ist, bei Ihnen zu wachen." Als er nun meinen Vorsatz 
sah, nicht auf die Maskerade zu gehen, reichte er mir freundlich 
die Hand, und ich durfte bei ihm bleiben. Nun fing er wieder an 
zu scherzen. „Sie hätten," sagte er, „nur auf die Maskerade gehen 
sollen, vielleicht wäre ich Ihnen nachgeschlichen;" worauf er nach 
einer kleinen Pause lächelnd hinzufügte: „Nicht wahr, dann würden 
Sie doch erschrecken und glauben, ich sei gestorben, und es wäre 
mein Geist, der Sie heimsuchte?" Ich mußte die Nacht durch meine 
Pfeife bei ihm rauchen und mich so stellen, daß er wenigstens den
	        
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