Kaiser Wilhelm II. 137
mann von Schrötter znm militärischen Erzieher. Den ersten Unter¬
richt in den Elementarfüchern erteilte ihm ein Volksschullehrer; später
wnrde die Leitnng des gesamten Unterrichtes dem Geheimrat
Dr. Hinzpeter übergeben. Damit Prinz Wilhelm eine allseitige
'Sildnng erhalte, mußten seine Lehrer genau nach dem in einem
Gymnasium geltenden Lehrplan arbeiten. Neben der geistigen Aus¬
bildung wurde auch große Sorge ans die Übung der Körperkräfte ver¬
wandt. Der Prinz mußte fleißig turnen, schwimmen, reiten,
exerzieren, und täglich wurden Ruderfahrten aus dem von der Havel
gebildeten Jungfernsee unternommen
Militärische Übungen waren aber stets die Lieblingsbeschäftigungen
des jungen Prinzen, und wegen des Eifers, den er dabei zeigte,
wurde er bald der Liebling seines Großvaters. Als im Jahre 1870
der Kampf gegen Frankreich entbrannt war, verfolgte er mit größtem
Interesse die Nachrichten über die Siege des deutschen Heeres.
Nachdem der Prinz bis zum 15. Jahre Privatunterricht ge- 3. Prinz
nosfen hatte, beschlossen seine Eltern, ihn nebst seinem Bruder 531,1
Heinrich aus das Gymnasium zu Kassel zu senden. Aus den aus¬
drücklichen Wunsch ihres Vaters wurden sie den andern Schülern
ganz gleich gehalten, und auch sie beanspruchten durchaus keine Vor¬
rechte. Selbst die kleinen Klassendienste verrichteten sie freiwillig,
reinigten die Wandtafel, spitzten die Kreide, wuschen den Schwamm
an der Pumpe im Schulhofe aus. Wegen ihrer bescheidenen Freund¬
lichkeit verkehrten alle Schüler gern mit ihnen. Im Januar 1877
bestand Prinz Wilhelm die Abgangsprüfung in ehrenvoller
Weise und erhielt bei dieser Gelegenheit zur Anerkennung seines
Fleißes eine von den drei Denkmünzen, die alljährlich nach alter
Sitte an die drei fleißigsten und würdigsten Schüler vergeben wurden.
Im Herbste desselben Jahres ging er nach Bonn und hörte an der 4. Wilhelm
Universität daselbst Vorlesungen über Gegenstände aus verschiedenen in 33onn-
Gebieten, besonders über die deutsche Litteratur und Geschichte.
Als er eines Tages von 23ortu ans einen Ausflug inachte, sah er, daß
ein Knabe in den Rhein siel. Sofort sprang er vom Pferde, stürzte sich
in den Strom und rettete als guter Schwimmer das Kind. Überhaupt
hatte der Prinz damals schon ein offenes Auge und ein teilnehmendes
Herz für das Wohl nnd Wehe seiner Mitmenschen. Einst erfuhr er, daß
ein großes industrielles Werk wegen Mangel ein Bestellungen wohl genötigt
sein werde, 5000 Arbeiter zu entlassen. Der Gedanke an die Not, in welche
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