Object: Für das vierte, fünfte und sechste Schuljahr (Teil 2, [Schülerband])

262 
Und der Bischof nahm den Jüngling zu sich, 
Unterwies ihn, sah die schönsten Früchte 
In ihm blühn, und weil er ihm vertraute, 
Liess er nach von seiner strengen Aufsicht. 
Und die Freiheit war ein Netz des Jünglings. 
Angelockt von süssen Schmeicheleien, 
Ward er müssig, kostete die Wollust, 
Dann den Beiz des fröhlichen Betruges, 
Dann der Herrschaft Reiz; er sammelt’ um sich 
Seine Spiessgesellen, und mit ihnen 
Zog er in den Wald, ein Haupt der Räuber. 
Als Johannes in die Gegend wieder 
Kam, die erste Frag’ an ihren Bischof 
War: „Wo ist mein Sohn!“ — „Er ist gestorben!“ 
Sprach der Greis und schlug die Augen nieder. — 
„Wann und wie?“ — „Er ist Gott abgestorben, 
Ist — mit Tränen sag’ ich es — ein Räuber.“ — 
„Dieses Jünglings Seele,“ sprach Johannes, 
„Fordr’ ich einst von dir. Jedoch wo ist er?“ — 
„Auf dem Berge dort!“ — „Ich muss ihn sehen!“ 
Und Johannes, kaum dem Walde nahend, 
Ward ergriffen; eben dieses wollt’ er. 
„Führet,“ sprach er, mich zu eurem Führer!“ 
Vor ihn trat er, und der schöne Jüngling 
Wandte sich; er konnte diesen Anblick 
Nicht ertragen. „Fliehe nicht, o Jüngling, 
Nicht, o Sohn, den waffenlosen Vater, 
Einen Greis! Ich habe dich gelobet 
Meinem Herrn und muss für dich antworten. 
Gerne geb’ ich, willst du es, mein Leben 
Für dich hin; nur dich fortan verlassen 
Kann ich nicht! Ich habe dir vertrauet, 
Dich mit meiner Seele Gott verpfändet.“ 
Weinend schlang der Jüngling seine Arme 
Um den Greis, bedeckete sein Antlitz 
Stumm und starr; dann stürzte statt der Antwort 
Aus den Augen ihm ein Strom von Tränen. 
I
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.