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Zweite Periode der Neuzeit.
nergung des Volkes gegen deutsches Wesen und gegen deutsche Sprache,
nahm eine drohende Stellung an und ertrotzte die Aushebung aller
bisherigen Änderungen und die Wiederherstellung der alten Verfassung
Ungarns. Der Schmerz, welchen Joseph über das Scheitern seiner
besten Absichten empfand, beschleunigte seinen Tod (1790). Kurz
vor seinem Ende schrieb er: „Ich kenne mein Herz; ich bin von
der Redlichkeit meiner Absichten in meinem Innersten überzeugt und
hoffe, daß, wenn ich einstens nicht mehr bin, die Nachwelt billiger,
gerechter und unparteiischer dasjenige untersuchen und beurteilen wirb'
was ich für mein Volk gethan."
§• 15. dngtanrf unts lortfamecih.
Während Portugiesen und Spanier die goldreichen Länder Süd¬
amerikas im 16. und 17. Jahrhundert ausbeuteten, siedelten sich eng¬
lische^ französische und deutsche Kolonisten, welche christliche Unduld¬
samkeit von Hof und Herd in Europa vertrieben hatte, in den
Wildnissen Nordamerikas an. Walther Raleigh und vor ihm
Cabot hatten in Nordamerika, welches ohne Zweifel schon den
Normannen auf Island bekannt gewesen war, unter Englands
Oberherrschaft die ersten Niederlassungen gegründet, die
zu Ehren der jungfräulichen Königin Elisabeth 1585 Virginien
genannt wurden. Jakob I. erteilte den Ansiedlern daselbst und ihren
Nachkommen gleiche Rechte mit den übrigen Unterthanen Englands,
und so kam es, daß viele, im Vaterlande um ihres Glaubens willen
Versolgte auszogen, um über dem Ozean eine neue Heimat zu gründen.
Pennfylvanien, welches der edle Quäker William Penn 1681
vom Könige von England mit allen Hoheitsrechten zu freiem Lehn
erhielt, stellte in seiner Verfassung den Grundsatz auf, daß alle feine
Bewohner die Freiheit und das Recht haben sollten, das, was sie
glaubten, öffentlich zu bekennen, so lange sie keinen Mißbrauch von
dieser christlichen Freiheit machten. Die Zahl der Ansiedler wuchs von
Jahr zu Jahr, und das von Penn gegründete Philadelphia, die
Stadt der Bruderliebe, blühte rasch auf. Engländer, Irländer,
Franzosen und Deutsche, Katholiken und Puritaner, Protestanten und
Quäker wohnten friedlich zusammen und wehrten die andringenden
räuberischen und mordlustigen Indianer gemeinschaftlich ab. Sie
erhielten allmählich große Freiheiten von der englischen Regierung und
das Recht, ihre Verfassung selbst zu bestimmen.