Verhältnisse der städtischen Lebensgemeinschaft zu ferne lägen und
zu gering an Umfang und Tiefe wären. Er erwartet von der unter-
richtlichen Beachtung des alltäglichen Lebens in Haus und auf der
Straße der Großstadt bessere Lehrerfolge, als von der Besprechung
von Lerche, Bienchen, Böckchen, Gänschen und Häschen; denn das
Stadtkind kenne diese Dinge nicht, und darum leben diese Dinge für
es nicht. Sie bieten der Phantasie nichts, „nichts als Aufzählungen,
Feststellungen, Begleichungen und Beschreibungen", und dabei schläft
die Klasse ein.
Zunächst ist es nun, nach Meinung aller unbeirrten Pädagogen,
das Ziel des Anschauungsunterrichts, das gesamte Kulturgut
in seinen elementaren Formen den Kinderaugen zu er-
schließen. Dazu gehört auch neben der Kultur der Stadt die Natur,
die jede Stadt umgibt, die mit tausend und abertausend Beziehun-
gen ins steinerne Meer hineinreicht. Es wäre ein grobes Versehen,
wollte man die Natur und das Leben der Tiere und Pflanzen vom
Lehrplan der Großstadt ausschließen, die Apperzeptionsstützen zur
Auffassung jener in manchen Schriften geschmähten Naturdinge dürfen
nicht fehlen. Andererseits hat Gansberg Recht, wenn er die bis-
herige Vernachlässigung des Stadtlebens und der
großstädtischen Verhältnisse bekämpft. Es gibt schlech-
terdings auch für dos Stadtkind im Stadtleben weite Gebiete, die
wertvolles Bildungsgut enthalten, das nicht vernachlässigt werden
darf. Freilich wird die Behandlung der Naturgegenstände in der
Stadt eine andere sein müssen als auf dem Lande, wo alles lebens-
frisch ist; aber diese Art der Berücksichtigung ist eine Frage der M e-
t h o d e und nicht eine der S t o s s a u s w a h l.
Eine weitere Gegnerschaft ist im Anschauungsunterricht dem
Stoffgebiete der Beschreibungen erwachsen. Die konkreten
Dinge, die in natura vor die Seele treten und betrachtet werden, sollen
kein geeigneter Anschauungsstoff sein, nur das Leben an den
Dingen, „wie sie leben, sich verändern, wie sie wirken und mit
andern Dingen Verbindungen eingehen —" erscheint Gansberg als
das Alleinwichtige. Die Schilderungen und Erzählungen sind ihm
demnach die hervorragendsten Mittel, das Leben zur Darstellung zu
bringen, und die Pflege der Phantasie, das Schaffen eines neuen
Bildes aus der Erinnerung ist ihm wichtiger als die Sinnesbildung.
Gansberg will lieber ganz fernliegende Stoffe an die Kinder
heranbringen, er verlangt nur, daß Leben und Funktion in
ihnen dargestellt werden können. Er will den Anschauungsunterricht
sogar zu einem Weltanschauungsunterricht hinaufführen.
Dieses Emporbilden soll durch belebende Ideen geschehen, die auch
noch dem Lehrer zu denken geben. „Sie sollen nicht ausgesprochen
werden, sie sollen nur durchklingen, ahnen lassen, sollen dem Unter¬