fullscreen: Lehrbuch der Geschichte für Mittelschulen

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Christentum. Germanen. 
Worin lag nun die sittliche Überlegenheit der neuen Lehre? 
1. Sie vergötterte nicht mehr die Natur und ihre Erscheinungen, also das 
Geschöpf, sondern den Schöpfer, führte demgemäß von der anstößigen 
Vielheit der Götter zur Einheit des Gottesöegriffes. 2. Sie lehrte die 
Gleichheit der Menschen vor Gott und verneinte damit die sittliche 
Berechtigung der Sklaverei. Freilich wurde dieselbe nicht sofort auf- 
gehoben; das Christentum fand die Sklaverei als einen Rechtszustand 
vor und mußte sie deshalb vorläufig beibehalten. Aber die christ- 
lichen Lehrer hatten immer das Gefühl, daß sich dieselbe mit ihrer Lehre 
nicht recht vertrage; dieses Gefühl gab den Anlaß zu einer allgemeinen 
Milderung des Verhältnisses zwischen Herren und Sklaven und diese 
Milderung führte allmählich zur Abschaffung der Sklaverei; aller- 
dings erst im Verlauf von Jahrhunderten und vielfach erst in der Neuzeit. 
Aber indirekt ist die Abschaffung derselben doch durch die christliche Welt- 
und Lebensauffassung bewirkt worden. 3. Die Hebung der Lage der 
arbeitenden Massen setzte jedoch eine andere Auffassung von dem „ßtt- 
tichen Wert der Arbeit" voraus. Im Altertum galt die gewöhn- 
liehe Handarbeit als eines freien Mannes nicht recht würdig; man 
verrichtete sie nur notgedrungen und überließ sie lieber den Sklaven, 
wenn man die Mittel hatte, solche zu kaufen und zu unterhalten. Das 
Christentum lehrte dagegen den hohen Tugendwert der Arbeit kennen 
und achten und goß so Mut, Lebensfreude, Selbstbewußtsein und 
Stolz in die Brust von Millionen, die bisher verachtet wurden. Freilich 
läßt sich die Gleichheit der Menschen im Diesseits nicht durchführen. 
Dafür lehrt das Christentum 4. den Ausgleich im Jenseits, wo das Gute 
belohnt, das Böse bestraft wird. Diese Lehre ist für alle Menschen 
ein Sporn zum Guten, eine Warnung vor dem Bösen, für 
Millionen Armer und Unglücklicher ein Trost, der ihnen das traurige 
Leben erträglich macht, und für Tausende von Mächtigen und Reichen 
eine Abschreckung, ihre Macht uud ihren Reichtum zu mißbrauchen. 
Zu der neuen, sittlich höher stehenden Lehre kam aber auch eine 
neue, sittlich höher stehende, weil noch unverbrauchte und unverdorbene 
Rasse, die Germanen. 
Germanen. 
Zwischen der ältesten Geschichte unserer Vorfahren und derjenigen der 
früheren Kulturvölker ist ein großer Unterschied. Die ältesten Nachrichten 
über die bisher behandelten Kulturvölker stammen meistens aus einer Zeit, 
wo dieselben bereits eine hoch entwickelte städtische Kultur hatten. Aus 
der Vorzeit wissen wir äußerst wenig, häufig gar nichts Sicheres. Der 
Grund liegt darin, daß wir bei diesen Völkern ans ihre eigenen Nach-
	        
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