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schid*), der mächtige und weise Chalis von Bagdad, an ihn
schickte. Unter den vielen und kostbaren Geschenken, welche die
Morgenländer von ihrem Herrn mitbrachten, befand sich auch
eine messingene Wasseruhr, wahrscheinlich die erste, welche nach
Europa kam. Tie Uhr zeigte die Stunden durch den Fall eher¬
ner Küchelchen auf ein metallenes Becken an. Waren alle zwölf
Stunden abgelaufen, so öffneten sich an der einen Seite der
Uhr zwölf Thüren, und aus denselben ritten zwölf Reiter her¬
vor und an der anderen Seite wieder hinein. Wie ein Wunder¬
werk wurde diese künstliche Uhr von Allen angestaunt. Auch ein
Schachspiel befand sich unter den Geschenken und wird noch zu
Paris auf der königlichen Bibliothek aufbewahret. •— Zur Unter¬
haltung jener fremden Gäste fehlte eS nicht an Lustbarkeiten.
Eines Tages nahm sie der Kaiser mit sich auf die Jagd. Bei
dem Anblicke der wilden Auerochsen aber ergriff sie eine so ge¬
waltige Furcht, daß sie gar bald wieder davon liefen! — Karl
schickte dem Chalifen als Gegengeschenke spanische Maulthiere,
rhcinländische Pferde, friesische Leinwand, auch große Hunde, die
sich der Chalis zur Löwen- und Tigerjagd ausgebeten hatte.
24. Karl des Großen Einrichtungen und Familienleben.
Wäre indessen Karl nur Eroberer gewesen, so würde sein
Verdienst gering und vorübergehend sein; denn schon bald nach
seinem Tode zerfiel das aus so vielen fremdartigen Theilen zu¬
sammengesetzte Gebäude seines Reiches. Sein Streben war aber
auf etwas Höheres und Edeleres gerichtet. Wen er als Held
mit dem Schwerte unterworfen hatte, den wollte er als Vater
mit Liebe beglücken. Unablässig war er bemüht, seine Völker auf¬
zuklären, sie weiser und besser zu machen. Die gelehrtesten
Männer seiner Zeit lebten an seinem Hofe und genossen seiner
Achtung und Freundschaft. Durch sie stiftete er viele Schulen.
*) Die aus Harun's Zeiten stammende Märchensammlung „Tau-
send und Eine Nacht" ist noch jetzt ein Lieblingsbuch der Jugend.