Full text: Erzählungen aus der Weltgeschichte

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Kindern spielen sonnte, hat der fremde Gesandte erfahren, der einst bei 
ihm eintrat. Er fand den König auf Händen und Füßen kriechend und 
setn Söhnlein auf dem Rücken tragend. „Herr Gesandter, haben Sie 
auch Kinder?" fragte Heinrich. „Ja, Sire," war die Antwort/ „'Nun," 
sagte der König, „da werden Sie es mir nicht übel nehmen, daß ich erst 
meinen Ritt vollende. “ Das ganze Volk liebte Heinrich. Nur eine Partei 
hafte ihn, die finstern Jesuiten, die es ihm nicht verzeihen konnten, daß er 
die Protestanten nicht verfolgte. Als Heinrich eines Tages in einer offenen 
Kutsche durch die Straßen von Paris fuhr, sprang plötzlich ein junger 
Mensch, Jtfaniens Ra v aillac, das Werkzeug jener Partei, auf den Wagen 
und stieß ihm einen Dolch ins Herz. So starb der gute König Hein¬ 
rich IV., tiefbetrauert von dem ganzen französischen Volke. 
50. Elisabeth von England (1558—1603). 
1. Elisabeth war die Tochter Heinrichs VIII. Obgleich dieser 
König ein Buch gegen Luther geschrieben hatte, wofür der Papst ihn den 
„Vertheidiger des Glaubens" nannte, so war er es doch, der die Herrschaft 
des Papstes in England stürzte. Heinrich wünschte nämlich, von seiner 
ersten Gemahlin geschieden zu werden; weil aber der Papst diese Schei¬ 
dung nicht erlauben wollte, so sagte sich Heinrich von ihm los und machte 
sich selbst zum Oberhaupt der Kirche in England. Er hob die Klöster 
aus und drang dem Volke ein Glaubensbekenntniß auf, das aus katho¬ 
lischen Gebräuchen und Lehren, sowie aus seinen eigenen Meinungen ge¬ 
mischt war. Er verfolgte alle, die sich seiner Ansicht nicht fügten. Tausende 
von Menschen starben auf dem Blutgerüste oder am Galgen. Auch zwei 
von seinen Gattinnen ließ er enthaupten. Die eine von diesen beiden, 
Heinrichs zweite Frau, war die Mutter Elisabeths. 
Elisabeth wurde nach dem Tode ihrer Mutter von ihrem Vater 
zurückgesetzt,^ von mehreren Stiefmüttern vernachlässigt und zuletzt von 
ihrer Schwester Maria, als diese Königin war, fünf Jahre lang mit 
schonungsloser Strenge behandelt. In ihrer Einsamkeit beschäftigte sie sich 
unl den Wissenschaften, weiblichen Arbeiten und der Musik und lernte so 
fleißig, daß einer ihrer Lehrer sagte: „Unter allen Jungfrauen leuchtet 
meine herrliche Schülerin Elisabeth gleich einem Sterne und glänzt mehr 
durch ihre Tugenden und Kenntnisse, denn durch die Glorie ibrer Abkunft." 
Sie schrieb und sprach das Lateinische geläufig und richtig; Such des Fran¬ 
zösischen, Italienischen und Deutschen war sie kundig. 
3. Nach dem Tode ihres Vaters bestieg zuerst ifjr jüngerer Halb¬ 
bruder Eduard VI., und nach dessen frühemTode ihre Halbschwester 
Maria den Thron. Maria, finster und argwöhnisch, verfolgte die 
Protestanten, welche sich im Lande weit verbreitet hatten, auf die grau¬ 
samste Art. Man pflegte sie deshalb die „Mutige Maria" zu nennen. 
Als sie nach fünfjähriger Regierung starb, herrschte im ganzen Lande die 
größte Freude. Die Stände, die gerade versammelt waren, jauchzten
	        
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