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Auch einmal — es war mitten im Sommer, und der Flachs blühte so
blau, als wäre ein Stück Himmel auf die Erde gesunken, — rüstete das
Fräulein von Iürgenschlotz wieder zur Jagd, wiewohl dazu mitten im
Sommer gar keine Zeit war. In sausendem Galopp ging's über die Auen
und in den Wald hinein. Dort banden sie ihre Pferde an die Bäume und
hielten Rast, bis der Abend, der schon von den fernen Bergen herabstieg,
das Gelände völlig deckte. Dann kam die Nacht mit ihrem Silberschein,
und die Bäume und Blumen dufteten hinein in den milden Glanz.
Da bestieg Wild-Ellen ihr Rotz, die Knappen schwangen sich ebenfalls
in die Sättel, und langsam ritten sie durch den nachtstillen Hag*, die weitze
Hirschkuh zu erspähen, die seit kurzem in den Wäldern um Iürgenschlotz
wohnte. Die trat nachts, wenn alles traumverloren war, auf eine der
betauten Auen, um dort zu grasen. Von dieser Hirschkuh gingen aller¬
hand Gerüchte unter den Leuten. Der eine wollte sie gesehen haben
ganz dicht vor seinen Augen und behauptete, sie habe nicht ein weitzes
Fell, sondern eins aus Silber. Der andere, dem sie auch zufällig erschienen
war, sagte wieder: „Nein, ihr Fell ist so wie das einer anderen weitzen
Hirschkuh auch, aber ihre Hufe sind aus Gold!"
Diese weitze Hinde nun wollte man erlauern, aus dem Schutze des
Waldes jagen und draußen im freien Feld grausam zu Tode hetzen.
Lange waren sie schweigsam durch den Tann geritten, an allen
Schlägen und versteckten Waldwiesen vorüber, da erschallte plötzlich aus
dichtem Gebüsch heraus das Horn des Jägers. Lautes Rufen tönte, die
Hunde schlugen an, und da die Stämme des Hochwaldes an jener Stelle
sich nur noch vereinzelt aus dem Heideboden erhoben, ging's in wildem
Jagen hinter der weitzen Hirschkuh drein; denn die war's, die des eine»
Jägers Auge tatsächlich erspäht hatte.
Mitten aus dem niederen Tannicht, durch das die Jagd hinter dem
seltenen Wilde dreinfuhr, erhob sich aber ein gewaltiger Felsblock. In dem
satz Frau Holde in jener Nacht zur Rast, denn um die Zeit, da der Flachs
in Blüte steht, wandelte sie nachts wie in den grauen Zeilen der alten
Deutschen noch immer über die Felder und segnete den blühenden Lein.
Verwundert vernahm sie das Jagen der Rosse und das Gekläff der
Meute*. Die wilde Jagd selbst war's nicht, denn die fährt um diese Zeit
nicht durch die Lüfte, und übrigens kannte sie die ganz genau. Nicht selten
hatte sie vor alten Zeiten den Wuotan* an der Spitze der tollen Fahrt
über die nächtlichen Wälder begleitet.
Bald verhallte das Gestampf der eilenden Rosse, und Frau Holde trat