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Wege ein barbarischer Rückschritt. Die erhaltenen Römerstraßen,
wie die von Basel nach Mainz oder von Salzburg nach München,
waren die einzigen, die den Namen Landstraßen verdienten. Die
übrigen waren so schlecht angelegt und verwahrlost, daß in der
Regel die Reisenden nur reiten, nicht fahren konnten.
Erst im 17. Jahrhundert begannen die Fürsten, im Bestreben,
ihre Macht zu vergrößern, dem Bau von Kunststraßen ihre Auf¬
merksamkeit zu schenken. Sie wurden dabei von militärischen
Gesichtspunkten geleitet (Beförderung von Truppenteilen), von
staatsmännischen (gleichmäßige Verwaltung durch Nachrichten¬
dienst nur bei guten Verbindungen möglich) und durch handels¬
politische (größerer Reichtum des Landes erhöht auch die Ab¬
gaben). Frankreich hat eine auf diesem Gebiete vorbildliche
Regierung gehabt, seit der Minister Ludwigs XIV., Colbert, ein
einheitliches Netz von Straßen und Kanälen dem Lande erschuf.
Auch Napoleon I. hat die hohe Bedeutung des Verkehrswesens
für die Volkswirtschaft erkannt. Ihm verdanken manche Pro¬
vinzen Deutschlands, die eine Zeitlang unter seiner Regierung
standen, den Bau der ersten guten Straßen.
Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das ganze
Land durch gut gebaute Straßen verbunden, — wenige Jahr¬
zehnte vor dem Bau der Eisenbahnen.
Natürlich ist eine regelmäßige Beförderung von Personen
und von Waren nur möglich, nachdem der Straßenbau geregelt
ist. Im Mittelalter mußte jeder Kaufmann selber für den Trans¬
port und die Bewachung seiner Waren sorgen. Im 16. Jahr¬
hundert entwickelt sich die Staats post, die, zunächst für das
Bedürfnis der Fürsten eingerichtet, es bald auch übernimmt,
Briefe für Privatpersonen zu befördern. Im Deutschen Reiche
war die Familie Thurn und Taxis vom Kaiser mit dem Vorrecht
ausgestattet, diesen Postdienst gegen Entgelt zu übernehmen. Bald
werden auch Personen in regelmäßig gehenden Postwagen be¬
fördert und schließlich — von größter Bedeutung für den Handel—-
auch Frachtgüter. Diese Organisation der Post hängt aufs engste
zusammen mit der Erweiterung der Stadtwirtschaft zur Volks¬
wirtschaft, des Handwerks zur Industrie.
Die Eisenbahn bedeutet geradezu eine volkswirtschaft¬
liche Revolution. Während im Jahre 1800 noch immer der
Landverkehr sehr erschwert und kostspielig war, so daß der an
Wasserstraßen oder an der See lebende Deutsche dem Engländer
näher war als der deutschen Nachbarstadt im Binnenland, ist
durch die Eisenbahn die räumliche Entfernung innerhalb eines
Landes fast belanglos geworden. Heut erscheint uns die enorme
Bedeutung der Eisenbahn für Personen- wie Güterverkehr und