Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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Herren regieren nicht lange, 8 — 9 Monate int Jahr wirthschaftet er 
so schlimm, daß die Sommersonne trotz dem vierwöchigen Tag mit den 
Eismassen, die der Winter hinterläßt, weit nicht fertig werden kann. 
73. Die Töne. 
Jeder Schlag auf einen festen Körper ruft einen Ton hervor; ebenso klingt das 
Wasser des Brunnens, wenn es in die größere Wassermasse ans einer gewissen Höhe 
herabfällt, ebenso die Lust, wenn sie rasch durch die Peitsche getrennt wird und nach 
der Trennung ebenso schnell sich wieder vereinigt. So entsteht der Ton immer durch 
die Erschütterung der Körper. Aber jeder Körper klingt wieder auf eigenthümliche 
Weise, der Stein anders als das Holz,, das Holz anders als Metall. Im Klange 
verräth jedes Ding seine innerste Natur. Die Töne kommen nicht von der Oberfläche 
der Körper, sondern sie entspringen aus der Erschütterung der ganzen innersten 
Masse. Wenn ein Körper klingt, so tönen oft auch andere mit. So klingt, wenn 
die Geige gespielt wird, die Lust mit, welche in der Höhle des hölzernen Gehäuses 
enthalten ist; so wird der Ton des Klaviers durch den Nesonanzboden verstärkt. 
Ueberdics aber werfen die Körper auch den Schall zurück, einige vollkommener, an¬ 
dere weniger vollkommen. Daraus muß das Echo erklärt werden. Bisweilen wie¬ 
derholt das Echo ganze Worte. Besonders mächtig ertönt es, wenn der Donner des 
Gewitters von Wolken oder Bergwänden wiederhallt, 
Wir vernehmen die äußeren Töne; denn das Ohr ist uns zu diesem Zwecke als 
besonderes Werkzeug gegeben. Es ist aufs beste so eingerichtet, daß der äußere 
Schall klar und unverändert zu den Nerven des Gehöres geleitet wird. So ver¬ 
nehmen wir die Klange aller Geschöpfe, die Töne des Wassers, der Luft und der 
Gesteine, die Stimmen der Thiere, vornemlich der obersten, luftathmenden Thiere. 
Diese Töne erfüllen unsere Seele theils mit Vergnügen, theils mit Schrecken. Lieblich 
bewegt uns der zartere Klang der Quellen, Bäche und Flüsse, der Wohllaut der 
singenden Vögel; aber das Dröhnen der Meereswellen und Stürme, das Gebrüll 
der Naubthiere erfaßt die Seele mit Unruhe und Entsetzen. Vorzüglich aber unter¬ 
scheidet unser Ohr musikalische Töne von den unmusikalischen Geräuschen. Wo nem- 
lich die Erschütterungen der Körper sich regelmäßig folgen, wo sie zu geordneten 
Schwingungen werden, die sich in einer bestimmten Zeit in bestimmtem Verhältnisse 
wiederholen, da entsteht der eigentliche, der musikalische Ton. Das Geräusch hinge¬ 
gen wird überall durch ungeordnete Erschütterungen oder Schwingungen erzeugt. Es 
ist nicht schwer, jene regelmäßigen Schwingungen an den klingenden Saiten einer 
Geige oder eines Klaviers mit dem Auge zu verfolgen. 
Der musikalische Ton wird für den Menschen zu einer Quelle höheren Genusses. 
Die gesetzmäßige Verbindung der Töne zum harmonischen und melodischen Ganzen 
befriedigt jenen höheren, geistigen Sinn, welchem man bildlich den Namen des mu¬ 
sikalischen Gehöres gegeben hat. Alle Völker zeigen wenigstens Spuren von musika¬ 
lischem Bedürfnisse, und mit der höheren Bildung wächst auch das Verlangen, durch 
die Musik der Welt der Töne eine innere Ordnung und einen tieferen Gehalt zu 
geben. Dazu schafft sich der Mensch eigene Werkzeuge, deren Erfindung in die älteste 
Zeit hinausreicht (1 Mos. 4, 21.). Er brachte die Töne theils durch die Lust, theils 
durch feste Körper hervor. 
In dem mächtigsten aller Instrumente, in der Orgel, klingt die Lust, welche 
innerhalb der Pfeifen in Schwingungen versetzt wird. Je länger die Pfeifen sind, 
Lrllbuch.
	        
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