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Wer Korn einhält: (d. h. dadurch Theurung ver¬
ursacht) dem fluchen die Leute. Spr. 11, 26.
137. Von den Eigenschaften eines guten
Hirten.
Es gehört mehr zu einem guten Hirten, als man denkt.
Mer das Vieh von einem Orte zum andern treiben, und
mit seinem Hunde hetzen kann, ist darum noch kein guter
Hirte.
Ein guter Hirte, er sey bei großem oder kleinem
Vieh, muß die Art und Natur des Viehes, welche« er
hütet, und welche Weide sich zu den verschiedenen Jah¬
res- und Tageszeiten dafür schickt, wohl kennen, bei
schädlicher Witterung und bei Nebel nicht zu früh auS-
trciben, und die Eigenthümer bei Zeiten warnen, eS
nicht ganz nüchtern auf die Weide zu lassen, bei plötz-
lichen Zufällen des Viehes, welche meist aus Ueberfluß
oder Stockung des Blutes entstehen, eine Ader geschickt
zu öffnen wissen, und die Mühe, das Vieh bei großer
Hitze oft an frisches Wasser zu bringen, nicht scheuen.
Kurz, er muß als Hirt das Wohl seiner Heerde, und
dadurch den Nutzen der Eigenthümer derselben, auf alle
mögliche und erlaubte Art, nicht allein zu befördern
verstehen, sondern auch befördern wollen.
Wer diese Eigenschaften hat, der ist ein guter Hirte.
138. Die Aufhetzerinn.
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ln einem gewissen Dorfe war eine Frauensperson, die
ging aus einem Hause in das andere, und sagte den
Leuten wieder, was der oder die vonihnengeredethat-
te. Eheman es sich versah, erzürnten sich dann die be¬
sten Freunde. Verwandte, Schwieger-Aeltern, Brüder
und Schwestern geriethen in die bitterste Feindschaft.
Zankten sich nur erst ein paar Familien, so war
sie ihres Gewerbes und Verdienstes gewiss, denn da
wusste sie durch listige Beden die Neugier so rege zu
machen, dass ihr die einfältigen Leute gaben, was sie
forderte, nur um zu erfahren, was ihr Feind von
ihnen gesprochen halte.