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der Wahl der Räte, das ausschließliche Recht der Eingeborenen zu Lehen und
Ämtern, ja eigene Entscheidung in den Kriegen des Kurfürsten. Mit uner-
schütterlicher Festigkeit hat Friedrich Wilhelm jene Sonderbestrebungen bekämpft.
Überall wurde die Werbung und Haltung von Truppen in den einzelnen Land¬
schaften und die Anstellung der Beamten ohne Mitwirkung der Stände durch-
gesetzt. Sämtliche Steuern wurden von den Kriegskammern verwaltet.
So entstand allmählich ein einheitliches Staatsgefühl. Jnsbeson-
dere bewirkte die Bildung eines einheitlichen Heeres x) und die Ausführung
gemeinsamer Ruhmestaten, daß die zerstreuten Teile des braudenburgi-
sehen Reiches sich als Glieder eiftes Staates fühlen lernten.
C. I)er Krieg gegen Kraukreich und Schweden. Zum Schutze des
von Ludwig XIV. angegriffenen Holland erhob der Kurfürst 1672 WMaffen,
mußte aber bald (1673), von überlegenen französischen Truppen bedrängt, vom
Kriege abstehen. Als dann 1674 der Kaiser und das Reich den Übermut
der französischen Politik entgegentraten, beteiligte sich Friedrich Wilhelm sofort
wieder am Kampfe. Am Ende des Jahres (1674) aber fielen feie Schweden
auf Antrieb Frankreichs in die Mark ein und zwangen den Kurfürsten zur
Heimkehr. Im Frühling 1675 brach er. von Franken aus den Winterquartieren
auf. Unbedenklich stürzte er sich auf den dreimal stärkeren Feind. Er gewann von
den dreiHavelpässen, Havelberg, Rathenow und Brandenburg, den mittleren
und schob sich tote ein Keil in die Feinde ein. Die von Brandenburg nach
Norden abziehenden Schweden erreichte er vor Fehrbellin und brachte ihnen
hier eine vollkommene Niederlage bei (28. Juni 1675). Mit 6000 Reitern
und 13 Geschützen überwand er 7000 Mann Fußvolk, 4000 Reiter und 38 Ge¬
schütze. Dieser Sieg, der erste von Bedeutung, den die Brandenburger allein
gegen einen überlegenen Feind errangen, begründete ihren Kriegsruhm.
Jetzt schien der Zeitpunkt für den Großen Kurfürsten 2) gekommen, das
pommersche Erbe zu gewinnen. Er eroberte das feste Stettin (1677) und
Stralsund (1678). Ende 1678 befand sich ganz Pommern in seiner Gewalt.
Darauf eilte er nach Preußen, in das schwedische Truppen von Livland aus
eingedrungen waren, säuberte es in einem staunenswerten Winterfeldzuge Anfang
1679 in wenigen Tagen von den Feinden und verfolgte diese bis vor Riga.
Indessen hatte der Kaiser, der mit Eifersucht die aufstrebende Macht
Brandenburgs betrachtete, mit Ludwig XIV. Frieden geschlossen. Das Über-
gewicht der französischen Waffen rettete den Schweden abermals die ihnen vom
Kurfürsten entrissenen Landschaften. Die Franzosen rückten über den Rhein in
kurfürstliche Gebiete ein und zwangen Friedrich Wilhelm zu dem Frieden
von St. Germain (1679), der den Schweden Vorpommern zurückgab.
Durch geschickte Unterhandlungen eine möglichst selbständige und einflußreiche
Stellung zu gewinnen, war das Ziel Friedrich Wilhelms in den letzten Jahren.
Mit Österreich einigte er sich wegen seiner Erbansprüche auf die Besitzungen
des 1675 ausgestorbenen Herzogshauses von Liegnitz, Brieg und Wohlau,
1 Der Schöpfer der brandenburgischen Reiterei ward Derffling er, ein Oberösterreichischer
von Geburt, im 30jährigen Kriege in schwedischen, seit 1654 in brandenburgischen Diensten.
2) Die Bezeichnung „Der Große Kurfürst" ist in den nächsten Jahren schon ganz ge-
bräuchlich.
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