82 
der Wahl der Räte, das ausschließliche Recht der Eingeborenen zu Lehen und 
Ämtern, ja eigene Entscheidung in den Kriegen des Kurfürsten. Mit uner- 
schütterlicher Festigkeit hat Friedrich Wilhelm jene Sonderbestrebungen bekämpft. 
Überall wurde die Werbung und Haltung von Truppen in den einzelnen Land¬ 
schaften und die Anstellung der Beamten ohne Mitwirkung der Stände durch- 
gesetzt. Sämtliche Steuern wurden von den Kriegskammern verwaltet. 
So entstand allmählich ein einheitliches Staatsgefühl. Jnsbeson- 
dere bewirkte die Bildung eines einheitlichen Heeres x) und die Ausführung 
gemeinsamer Ruhmestaten, daß die zerstreuten Teile des braudenburgi- 
sehen Reiches sich als Glieder eiftes Staates fühlen lernten. 
C. I)er Krieg gegen Kraukreich und Schweden. Zum Schutze des 
von Ludwig XIV. angegriffenen Holland erhob der Kurfürst 1672 WMaffen, 
mußte aber bald (1673), von überlegenen französischen Truppen bedrängt, vom 
Kriege abstehen. Als dann 1674 der Kaiser und das Reich den Übermut 
der französischen Politik entgegentraten, beteiligte sich Friedrich Wilhelm sofort 
wieder am Kampfe. Am Ende des Jahres (1674) aber fielen feie Schweden 
auf Antrieb Frankreichs in die Mark ein und zwangen den Kurfürsten zur 
Heimkehr. Im Frühling 1675 brach er. von Franken aus den Winterquartieren 
auf. Unbedenklich stürzte er sich auf den dreimal stärkeren Feind. Er gewann von 
den dreiHavelpässen, Havelberg, Rathenow und Brandenburg, den mittleren 
und schob sich tote ein Keil in die Feinde ein. Die von Brandenburg nach 
Norden abziehenden Schweden erreichte er vor Fehrbellin und brachte ihnen 
hier eine vollkommene Niederlage bei (28. Juni 1675). Mit 6000 Reitern 
und 13 Geschützen überwand er 7000 Mann Fußvolk, 4000 Reiter und 38 Ge¬ 
schütze. Dieser Sieg, der erste von Bedeutung, den die Brandenburger allein 
gegen einen überlegenen Feind errangen, begründete ihren Kriegsruhm. 
Jetzt schien der Zeitpunkt für den Großen Kurfürsten 2) gekommen, das 
pommersche Erbe zu gewinnen. Er eroberte das feste Stettin (1677) und 
Stralsund (1678). Ende 1678 befand sich ganz Pommern in seiner Gewalt. 
Darauf eilte er nach Preußen, in das schwedische Truppen von Livland aus 
eingedrungen waren, säuberte es in einem staunenswerten Winterfeldzuge Anfang 
1679 in wenigen Tagen von den Feinden und verfolgte diese bis vor Riga. 
Indessen hatte der Kaiser, der mit Eifersucht die aufstrebende Macht 
Brandenburgs betrachtete, mit Ludwig XIV. Frieden geschlossen. Das Über- 
gewicht der französischen Waffen rettete den Schweden abermals die ihnen vom 
Kurfürsten entrissenen Landschaften. Die Franzosen rückten über den Rhein in 
kurfürstliche Gebiete ein und zwangen Friedrich Wilhelm zu dem Frieden 
von St. Germain (1679), der den Schweden Vorpommern zurückgab. 
Durch geschickte Unterhandlungen eine möglichst selbständige und einflußreiche 
Stellung zu gewinnen, war das Ziel Friedrich Wilhelms in den letzten Jahren. 
Mit Österreich einigte er sich wegen seiner Erbansprüche auf die Besitzungen 
des 1675 ausgestorbenen Herzogshauses von Liegnitz, Brieg und Wohlau, 
1 Der Schöpfer der brandenburgischen Reiterei ward Derffling er, ein Oberösterreichischer 
von Geburt, im 30jährigen Kriege in schwedischen, seit 1654 in brandenburgischen Diensten. 
2) Die Bezeichnung „Der Große Kurfürst" ist in den nächsten Jahren schon ganz ge- 
bräuchlich. 
I
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.