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[§25]
sreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht, Unverletzlichkeit des Eigen¬
tums (vgl. ^ 11a). Dem gegenüber gibt es auch Pflichten, nämlich
die der Treue, des Gehorsams, der Sach- und Dienstleistungen (Be¬
steuerung, Wehrpflicht, Übernahme von Ehrenämtern, Unterwerfung
unter die Expropriation usw.).
An der Spitze des Deutschen Reiches steht der König von
Preußen, der den Namen Deutscher Kaiser sührt.ff Er ist Vertreter
der bei der „Gesamtheit der verbündeten Regierungen" vorhandenen
Reichssouveränität (vgl. § 11b). Seine Aufgabe ist eine völkerrecht¬
liche (Vertretung nach außen: Kriegserklärung, jedoch nur unter
Zustimmung des Bundesrates; Abschluß von Verträgen mit anderen
Staaten, die jedoch der vorherigen Zustimmung des Bundesrates
und zur Gültigkeit der nachträglichen Genehmigung des Reichstages
bedürfen) und eine staatsrechtliche, welche die Leitung der Reichs¬
regierung umfaßt. Die Bundesstaaten sind im Bundesrat vertreten,
er umfaßt 58 Mitglieder *), die an die Weisungen ihrer Regierungen
gebunden sind. Die Aufgabe des Bundesrates ist in der Haupt¬
sache, über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen zu be¬
schließen, die Ausführung der Gesetze zu veranlassen. Als drittes
Lrgan des Reiches neben Kaiser und Bundesrat waltet der Reichs¬
tag. Seine Mitglieder werden in geheimer, direkter Abstimmung aus
fünf Jahre gewählt, für das aktive wie das passive Wahlrecht ist
die Vollendung des 25. Lebensjahres notwendig. Der Reichstag
wird vom Kaiser mindestens einmal jährlich einberufen: die Aus¬
lösung erfolgt auch seitens des Kaisers, jedoch nur mit Zustimmung
des Bundesrates. Dem Reichstag steht die Beschlußfassung über
den Reichshaushalt sowie über die zu erlassenden Reichsgesetze zu.
Alle Vorlagen unterliegen einer dreimaligen Beratung (Lesung). Die
Zuständigkeit des Reiches erstreckt sich sowohl bezüglich der Beauf¬
sichtigung wie der Gesetzgebung auf die Auswärtigen Angelegen¬
heiten einschließlich des Schutzes der Schiffahrt und des Handels im
Auslande, das Heereswesen und die Kriegsflotte, die Reichsfinanzen,
die Gerichtsverfassung, sowie das Prozeß-, Straf- und das gesamte
bürgerliche Recht, die Zoll-, Gewerbe- und Handelsgesetzgebung, das
Maß-, Münz- und Gewichtswesen, das Eisenbahn-, Post- und Tele¬
graphenwesen, das Medizinal- und Veterinärwesen, das Paßwesen
und die Fremdenpolizei, das Heimats- und Armenwesen usw. Von
dieser Zuständigkeitsbefugnis hat das Reich jedoch nur einen teil¬
weisen Gebrauch gemacht. Ausnahmen von der Zuständigkeit machen
die Reservat- (Hoheits-) Rechte. So sind die süddeutschen Staaten
von der Brausteuer ausgenommen; Bayern und Württemberg haben
ff Nur in völkerrechtlichen Verträgen heißt er Kaiser^von Deutschland,
ff Preußen hat einschließlich der von ihm geführten Stimme Waldecks 18,
Bayern 6, Sachsen und Württemberg je 4, Baden und Hessen je 3, Mecklenburg-
Schwerin und Braunschweig je 2, die übrigen Staaten je 1 Stimme. Elsaß-
Lothringen hat keine.