Object: Staats- und Volkswirtschaftslehre

135 
[§25] 
sreiheit, Vereins- und Versammlungsrecht, Unverletzlichkeit des Eigen¬ 
tums (vgl. ^ 11a). Dem gegenüber gibt es auch Pflichten, nämlich 
die der Treue, des Gehorsams, der Sach- und Dienstleistungen (Be¬ 
steuerung, Wehrpflicht, Übernahme von Ehrenämtern, Unterwerfung 
unter die Expropriation usw.). 
An der Spitze des Deutschen Reiches steht der König von 
Preußen, der den Namen Deutscher Kaiser sührt.ff Er ist Vertreter 
der bei der „Gesamtheit der verbündeten Regierungen" vorhandenen 
Reichssouveränität (vgl. § 11b). Seine Aufgabe ist eine völkerrecht¬ 
liche (Vertretung nach außen: Kriegserklärung, jedoch nur unter 
Zustimmung des Bundesrates; Abschluß von Verträgen mit anderen 
Staaten, die jedoch der vorherigen Zustimmung des Bundesrates 
und zur Gültigkeit der nachträglichen Genehmigung des Reichstages 
bedürfen) und eine staatsrechtliche, welche die Leitung der Reichs¬ 
regierung umfaßt. Die Bundesstaaten sind im Bundesrat vertreten, 
er umfaßt 58 Mitglieder *), die an die Weisungen ihrer Regierungen 
gebunden sind. Die Aufgabe des Bundesrates ist in der Haupt¬ 
sache, über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen zu be¬ 
schließen, die Ausführung der Gesetze zu veranlassen. Als drittes 
Lrgan des Reiches neben Kaiser und Bundesrat waltet der Reichs¬ 
tag. Seine Mitglieder werden in geheimer, direkter Abstimmung aus 
fünf Jahre gewählt, für das aktive wie das passive Wahlrecht ist 
die Vollendung des 25. Lebensjahres notwendig. Der Reichstag 
wird vom Kaiser mindestens einmal jährlich einberufen: die Aus¬ 
lösung erfolgt auch seitens des Kaisers, jedoch nur mit Zustimmung 
des Bundesrates. Dem Reichstag steht die Beschlußfassung über 
den Reichshaushalt sowie über die zu erlassenden Reichsgesetze zu. 
Alle Vorlagen unterliegen einer dreimaligen Beratung (Lesung). Die 
Zuständigkeit des Reiches erstreckt sich sowohl bezüglich der Beauf¬ 
sichtigung wie der Gesetzgebung auf die Auswärtigen Angelegen¬ 
heiten einschließlich des Schutzes der Schiffahrt und des Handels im 
Auslande, das Heereswesen und die Kriegsflotte, die Reichsfinanzen, 
die Gerichtsverfassung, sowie das Prozeß-, Straf- und das gesamte 
bürgerliche Recht, die Zoll-, Gewerbe- und Handelsgesetzgebung, das 
Maß-, Münz- und Gewichtswesen, das Eisenbahn-, Post- und Tele¬ 
graphenwesen, das Medizinal- und Veterinärwesen, das Paßwesen 
und die Fremdenpolizei, das Heimats- und Armenwesen usw. Von 
dieser Zuständigkeitsbefugnis hat das Reich jedoch nur einen teil¬ 
weisen Gebrauch gemacht. Ausnahmen von der Zuständigkeit machen 
die Reservat- (Hoheits-) Rechte. So sind die süddeutschen Staaten 
von der Brausteuer ausgenommen; Bayern und Württemberg haben 
ff Nur in völkerrechtlichen Verträgen heißt er Kaiser^von Deutschland, 
ff Preußen hat einschließlich der von ihm geführten Stimme Waldecks 18, 
Bayern 6, Sachsen und Württemberg je 4, Baden und Hessen je 3, Mecklenburg- 
Schwerin und Braunschweig je 2, die übrigen Staaten je 1 Stimme. Elsaß- 
Lothringen hat keine.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.