An die Jugend.
Cs ist schon oft vorgekommen, -aß man aus -cm einen o-cr andern Stücke, weiches ein Lesebuch mittheilt,
zugleich eine Vorstellung von den Gcsammtwerken -es Schriftstellers sich bildet. Wenn dem so recht wäre, so
würden hoffentlich alle Schriftsteller, die in diesem Uuchc auftreten, untadelhast erscheinen und ohne Bedenken
auch in ihren Vesammtwerken von der Jugend zur Hand genommen werden können. Dem ist aber nicht so.
Es lastet eine unsägliche Schmach ans der neuere» Deutschen Literatur; oft kann man von einem ganzen Dichter
kaum das eine oder andere Stück (meist nur die allbekannten) hcraussindeu, welches ohne Anstoß in die Schule,
oder ans reine Licht des Tages dürfte geführt werden. So haben cs jene alten Lzciden nicht gemacht, deren
Werke noch heutzutage frei und wirksam in den Händen der Jugend leben. Ja, so weit geht diese Schinnch, daß
Männer, die deutlich genug ihre christliche Ueberzeugung und Gesinnung an den Tag legen, dennoch in ihren
Gedichten sich oft gebärden, als ob die Muse eine Freigelassene des Christenthums und der Sittlichkeit wäre, ^a,
als ob sie den Freibrief hätte, der christliche» Strenge gegenüber eine Anstacht alles Vnchristlicheu im Menschen
zu bilden. Andere Künste haben es darin freilich nicht viel bester gemacht. Darum Achtung und Verehrung
gegen fedcs Gute und Schöne, was alle diese Männer geleistet haben! und ihre Persönlichkeit erst recht wie
ein unantastbares Heiligthum betrachtet, in das allein Gott schauet! aber Mißtrauen gegen alle Gesammtwerkc
der einzelnen Schriftsteller, bis sie dir verbürgt sind von denen, die sie kennen! Wie mit einer Wurfschaufel
wird die Aeit die Tenne fegen.
Georg-Eckert-Institut
für international«
Schulbuchforschung
ßraunschwsig
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