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3. O sagt, wer hat dies Kleid gemacht,
wer hat die Erde so bedacht?
Das hat der liebe Gott getan;
der zog das Winterkleid ihr an.
4. Das hält sie warm, unb ganz getrost
erwartet sie des Winters Frost;
der kann nun noch so grimmig sein;
er dringt ihr nicht ins Herz hinein.
5. Und unterm Schnee, da liegt so warm,
wie '8 Kindlein in der Mutter Arm,
das Saatkorn dort und wartet still,
ob's wieder Frühling werden will. Franz Knauth.
110. Frau Holle.
1. Von der fleißigen Tochter.
1. Eine Witwe hatte zwei Töchter; davon war eine schön und fleißig,
die andere häßlich und faul. Sie hatte aber die häßliche und faule,
weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mußte alle
Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mädchen
mußte sich täglich auf die große Straße neben einen Brunnen setzen und
mußte so viel spinnen, daß ihr das Blut aus den Fingern sprang.
2. Nun trug es sich zu, daß die Spule einmal ganz blutig war; da
bückte es sich damit in den Brunnen nnd wollte sie abwaschen; sie
sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stief¬
mutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es heftig und war so
unbarmherzig, daß sie sprach: „Hast du die Spule hinunterfallen lassen,
so hol sie auch wieder herauf." Da ging das Mädchen zu dem
Brunnen zurück und wußte nicht, was es anfangen sollte, und in seiner
Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen.
3. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich
selber kam, war es auf einer schönen Wiese. Da schien die Sonne und
waren viel tausend Blumen. Auf der Wiese ging es fort und kam zu
einem Backofen, der war voll Brot; das Brot aber rief: „Ach, zieh
mich raus, sonst verbrenn' ich; ich bin schon längst ausgebacken!" Da
trat es mit dem Brotschieber herzu und holte alles heraus. Danach
ging es weiter und kam zu einem Baume, der hing voll Äpfel und rief