Full text: [Abteilung 1 = Sexta, [Schülerband]] (Abteilung 1 = Sexta, [Schülerband])

Becker: Odysseus giebt sich den Phäaken zu erkennen. 
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durch die Schaffnerin". Sogleich stand der König auf, faßte den Odysseus 
bei der Hand, hieß seinen liebsten Sohn Laodamas, der ihm zunächst 
saß, aufstehen und führte den Gast zu dem erledigten Sessel. Alsbald 
war nach der Gewohnheit eine Dienerin mit Wasserkanne und Wasch¬ 
becken bereit und besprengte dem Fremdling zum Waschen die Hände. 
Dann ward ein reinliches Tischchen vor ihn hingestellt, das sich als¬ 
bald mit Brot und Speisen aller Art füllte. Das war ein anderer 
Abend als der gestrige, wo der arme Mann, seiner Kleider beraubt, 
triefend und von Angst und Anstrengung abgemattet, ans Land ge¬ 
stiegen war, um sich ein Lager von Blättern zusammenzuscharren Wie 
behaglich schmauste er jetzt im herrlichen Saale bei Fackelschein! So 
schnell wechselt oft die bangste Nacht mit dem frohen Tage. „Wohlan," 
rief der König dem Herolde zu, „mische noch einmal Wein in dem Kruge 
und fülle rings den Gästen die Becher, daß wir dem Zeus noch ein 
Opfer ausgießen, dem Beschützer der Hilfeflehenden!" 
Der Herold that, wie ihm gesagt war, und sie sprengten alle die 
ersten Tropfen dem Zeus zu Ehren auf die Erde, tranken das übrige 
mit Wohlbehagen, und erhoben sich dann von ihren Sitzen. Der König 
beschied sie wieder auf den folgenden Tag in sein Haus, um sich mit 
ihnen über die Fortschaffung des Fremden zu beraten. 
Die Königin befahl den Mägden, dem Fremden unter der Halle 
ein Bett zu bereiten, prächtige Polster darauf zu legen, noch eine feine 
Decke als Laken und oben andere wollene Gewänder zum Deckbett 
darüber zu werfen. Sie gingen mit Fackeln hinaus, besorgten alles 
aufs beste und riefen dann den Fremdling, der der willkommenen Ruhe 
fröhlich entgegeneilte. Unter der Halle schlummerte nun Odysseus; 
Alcinous aber und die Königin in dem innern Gemach des Palastes. 
Mit der Morgendämmerung erhob sich der König Alcinous und 
sein ihm noch unbekannter Gast vom Lager. Beide gingen auf den 
Markt und setzten sich auf zwei behauene Steine nieder, dergleichen 
rings umher für die phäakischen Fürsten aufgestellt waren, wenn sie 
sich zu einer allgemeinen Beratschlagung versammelten. Noch war 
niemand da, aber Athene ging schon, als Herold verkleidet, von Haus 
zu Haus und lud die Häupter zu schneller Versammlung ein. Da 
kamen sie in Scharen und erfüllten die Sitze, während das Volk sich 
neugierig durch einander drängte, den Fremdling zu sehen, über dessen 
Geleitung die Fürsten beraten wollten. Er aber stand wie ein Gott 
unter ihnen; denn Athene hatte ihm eine riesige Heldengestalt und 
feurige Jugend verliehen, damit er Bewunderung und Liebe bei den 
f häaken erweckte. Nachdem sie alle versammelt waren, nahm der 
önig das Wort. „Hört mich an," sprach er, „ihr erlauchten Fürsten 
der Phäaken! Dieser Fremdling hier — ich kenne ihn nicht und weiß 
nicht, ob er vom Morgen oder vom Abend her zu uns gekommen ist 
— hilfeflehend kam er in mein Haus und begehrt von uns weiter ge¬ 
leitet zu werden. Laßt uns also schnell daran denken; denn noch nie¬ 
mals ist jemand meinem Hause mit einer Bitte genahet, die ihm nicht 
gewährt worden wäre. Aus also, ihr Jünglinge, versammelt euch, zwei- 
Hopf u. Paulsie!, deutscher Leseb. I. 1. 7
	        
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