214 Charlottenburg; Leibnitz.
sondern allenfalls eine Handarbeit vorgenommen wurde; besonders auch Ge¬
lehrte und sonst nicht Hoffähige erhielten hier Zutritt.
Nachdem Sophie Charlotten's Gemahl den Thron bestiegen hatte, wurde
der Prunk und das steife Ceremoniell an seinem Hofe noch mehr überwiegend;
die Fürstin fügte sich darein, so viel es ihre Stellung verlangte, aber desto
mehr hielt sie sich dann für solchen Zwang in den stillen Freuden ihres in¬
timeren Lebens schadlos, worin sie ihr Gemahl frei gewähren ließ.
Der Kurfürst hegte schon seit längerer Zeit den Gedanken, ihr zum Land¬
ausenthalt ein Lustschloß in der Nähe von Berlin erbauen zu lassen. Das
Dorf Lützen zwischen Berlin und Spandau gefiel der Fürstin seiner Lage
wegen. Friedrich kaufte es für sie und beschloß, dort eine fürstliche Wohn¬
stätte zu errichten. Die Anlage der schönen Gärten war schon weit vorge¬
schritten, als im Jahre 1696 auch der eigentliche Schloßbau unter dem be¬
rühmten Baumeister und Bildhauer S ch l ü t e r zu Stande kam. Der Kur¬
fürst war darauf bedacht, diesen Lustort immer schöner und reicher mit seltenen
Blumenanlagen, Orangerie, Bildsäulen u. s. w. auszustatten, und so wurde
Lützenburg, wie man den Ort zuerst nannte, später Charlottenburg,
der Lieblingsaufenthalt der Kurfürstin und ihres interessanten Zirkels, an
welchem bald auch L e i b n i tz Antheil nahm. Sophie Charlotte hatte sich von
ihrer Jugend gewöhnt, diesen Freund ihrer hochgebildeten Mutter als den
ihrigen anzusehen, und je höher sie selbst an Geistesentwickelung stieg, desto
fester wurde auch ihre Beziehung zu Leibnitz. Sein Name wurde am Hofe
zu Berlin mit Ruhm genannt, uud da Friedrich gelehrtes Verdienst wohl zu
würdigen wußte, auch den Verkehr mit berühmten Gelehrten als einen noth¬
wendigen Bestandtheil eines prächtigen Hofes betrachtete, so sah er selbst es
gern, daß der Briefwechsel seiner Gemahlin mit dem großen Denker immer
lebhafter wurde. Der Kurfürst hatte sich selbst schon mit ihm in Verbindung
gesetzt, um in einer Angelegenheit, welche ihn, wie seine Gemahlin, sehr be¬
schäftigte, nämlich wegen der Vereinigung der beiden protestantischen Kirchen,
des großen Gelehrten Rath zu erbitten. Später kam Leibnitz auf Friedrich's
Wunsch nach Berlin, wurde zum Kurfürstlichen Geheimen Rath und zum
Präsidenten der neu gegründeten Akademie der Wissenschaften ernannt, an
deren Stiftung die geistreiche Kurfürstin einen großen Antheil hatte.
Jetzt nahm das geistige Leben in Lützenburg einen immer höheren Auf¬
schwung. Neben der gemüthlichen, geselligen Unterhaltung, Vorlesen, Musik
und Bühnenspiel wurden immer häufiger auch ernst wissenschaftliche Gespräche
geführt. Die Kurfürstin erfreuete sich an den Streitigkeiten gelehrter Männer
über interessante Fragen, besonders aus dem Gebiete der Philosophie und der
Religion; sie selbst besaß Bildung und Geist genug, um auch manchen Fach¬
gelehrten durch ihre Fragen in Verlegenheit zu setzen. In keinem Zweige der
Literatur war sie ganz unbekannt, und Leibnitz selbst bezeugte, wie begierig sie
war, sich gründlich zu unterrichten und tiefer, als sonst bei Frauen gewöhn¬
lich, in Alles einzubringen; er sagte einst: „Es ist nicht möglich, Sie zufrie¬
den zu stellen; benrt Sie wollen bas Warum vom Warum wissen." In ihrem
Kreise würben nun die wichtigsten theologischen Fragen sehr sorgfältig ver¬
handelt. Oester erschien der Beichtvater des Königs von Polen, der Jesuit
Vota, am Hofe, ein gelehrter Mann sehr lebhaften Geistes, welcher die Ab-