Full text: Atlas zur territorialen Entwicklung Preußens

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24. Laßt mich nur einmal hören 
der neuen Glocke Klang! 
Ich hab' sie ja bereitet, 
möcht' wissen, ob's gelang.“ 
25. Die Bitte ward gewähret, 
sie schien den Herr'n gering; 
die Glocke ward geläulet, 
als er zum Tode ging. 
26. Der Meister hört sie klingen, 
so voll, so hell, so rein; 
die Augen geh'n ihm über, 
es muß vor Freude sein. 
27. Und seine Blicke leuchten, 
als wären sie verllärt; 
er hat in ihrem Klange 
wohl mehr als Klang gehört. 
28. Hat auch geneigt den Nacken 
zum Streich voll Zuversicht; 
und was der Tod versprochen, 
das bricht das Leben nicht. 
29. Das ist der Glocken Krone, 
die er gegossen hat, 
die Magdalenenglocke, 
zu Breslau in der Stadt. 
30. Die ward zur Sünderglocke 
seit jenem Tag geweiht; 
weiß nicht, ob's anders worden 
in dieser neuen Zeit. 
Wilhelm Müller. 
21. Des Sängers Fluch. 
l. Es stand in alten Zeiten ein Schloß so hoch und hehr, 
weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer; 
und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz, 
drin sprangen frische Brunnen im Regenbogenglanz. 
Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich, 
er saß auf seinem Throne so finster und so bleich; 
denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut, 
und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut. 
Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar, 
der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar; 
der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß, 
es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß. 
Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn, 
denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton, 
nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz, 
es gilt uns heut', zu rühren des Königs steinern Herz.“ 
Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal, 
und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl; 
der König, furchtbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein, 
die Königin, süß und milde, als blickte Vollmond drein. 
Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, 
daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll; 
dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor, 
des Alten Sang dazwischen, wie dumpfer Geisterchor. 
Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit, 
von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit, 
sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt, 
sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.
	        
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